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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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meiner Frau entfacht. Doch schon am nächsten Morgen hatte ich Celia wieder in jenen Teil meines Gehirns verfrachtet, den ich mir als eine gewundene Fistel vorstellte, die aber nicht mit fauligem Zeug, sondern mit absoluter Dunkelheit gefüllt war, wohin ich schon so vieles gestopft hatte, was ich einstmals wußte.
     
    Hier stehe ich nun mit meinen zerrissenen Strümpfen und meiner blutenden Hand und starre meine arme Frau an, die mir zugewandt auf der Treppe steht, und lese von ihrem Gesicht eine schreckliche Katastrophe ab. »Meine Liebe!« platze ich heraus und hole rasch aus meiner Tasche ein pflaumenfarbenes, seidenes Taschentuch hervor, das ich mir ungeschickt um die Hand wickle. »Willkommen auf Bidnold! Wenn Ihr mir Euren Besuch angekündigt hättet, dann hätte ich alles für Euch vorbereiten lassen.«
    »Ich brauche kein Willkommen«, sagt Celia, und ihre Stimme ist schrill wie die eines alten, sterbenden Weibes. »Die Diener werden mich zu meinem Zimmer bringen.«
    »Ja«, stottere ich, »oder ich. Wir nehmen das Tageteszimmer …«
    Meine Hand ist jetzt verbunden, doch als ich sie auf das Geländer lege und mich anschicke, die Stufen zu ihr hinaufzusteigen, sehe ich, wie sie vor mir wie vor einer züngelnden Viper zurückweicht. »Bleibt!« flüstert sie, anscheinend ganz schwach vor Abscheu. »Bitte bleibt, wo Ihr seid!«
    Ich bleibe sofort stehen und lächle sie freundlich an. »Celia«, sage ich, da mir ihr Name endlich eingefallen ist, »Ihr braucht wirklich keine Angst vor mir zu haben. Ich werde nie etwas von Euch verlangen. Ich wollte Euch nur Euer Zimmer zeigen, das hoffentlich mit seinen Farben und seiner Einrichtung ein wenig Trost spenden wird, in was für einem Unglück auch immer –«
    »Das können die Diener tun. Wo ist Sophia?«
    »Wie?« frage ich.
    »Wo ist sie? Wo ist Sophia?«
    »Ich habe keine Ahnung. Habt Ihr sie mitgebracht? Sie ist Eure Kammerfrau?«
    »Ja. Bitte ruft sie, Merivel.«
    Ich drehe mich um und blicke zur Eingangstür. Zwei Stallburschen stolpern gerade mit einem ledernen Schrankkoffer herein, der sicher randvoll mit hermelinbesetzten Häubchen und Schuhen aus Wassermolchhäuten ist, die mein ehemaliger Herr, der König, für seine Allerteuerste gekauft hat. Von plötzlicher Traurigkeit ergriffen, wandern meine Gedanken gerade zu einer gewissen Garnitur gestreifter Servietten, die ich nicht mehr im Gebrauch habe, sondern in Leinenstoff ein
geschlagen in einer Eichentruhe aufbewahre, als ich Pearce sehe, der keuchend und mit pfeifendem Atem wie sein verstorbener Maulesel in die Halle kommt.
    »Ach, Pearce«, sage ich schnell. »Hast du eine Frau namens Sophia gesehen?«
    Pearce blinzelt. Seine großen Augen, seine leicht gebogene Nase und sein langer Hals lassen ihn auf den ersten Blick wie eine bestimmte Spezies bäumebesteigender Nachttiere aussehen, die ich als Marsupialier (ein seltsames Wort) beschrieben gesehen habe.
    »Nein«, sagt Pearce. »Was geht hier vor, Merivel? Ich wittere Unglück.«
    »Ja«, meine ich, »um ein Unglück scheint es sich in der Tat zu handeln. Aber jetzt müssen wir erst einmal die Dienerin meiner Frau finden …«
    »Deine Frau ist gekommen?«
    »Ja. Dort steht sie. Bitte, Pearce, geh zu ihrer Kutsche und sage der Dienerin, daß ihre Herrin nach ihr ruft.«
    Pearce wischt sich mit dem Ärmel seines fadenscheinigen Mantels über die Augen, um besser glauben zu können, daß die gespenstische Frau in Schwarz wirklich Celia Clemence ist, die er zuletzt glücklich lachend auf ihrer Hochzeit gesehen hat. Ich will ihn gerade noch einmal drängen hinauszugehen, als eine dralle, häßliche, dunkelhaarige Frau von vielleicht fünfunddreißig Jahren mit zwei oder drei Kleidern über dem Arm hereinkommt.
    »Sophia«, ruft Celia mit heiserer Stimme, »komm herauf!«
    Sophia schaut von Pearce zu mir und scheint sich sogleich von unserem Anblick beleidigt zu fühlen, so daß sie schnell die Treppe hinaufgeht, dorthin, wo ihre Herrin die Hand nach ihr ausstreckt.
    Neben mir, aufgetaucht von was weiß ich woher, steht auf einmal Will Gates.
    »Will«, sage ich sehr eindringlich, »bitte führe meine Frau und ihre Dienerin zum Tageteszimmer.«
    »Zum Tageteszimmer, Sir?« flüstert Will. »Darf ich ein anderes vorschlagen?«
    »Nein, das darfst du nicht«, schnauze ich.
    Will starrt mich an, geht aber nichtsdestotrotz – denn er ist ein unvergleichlicher Diener – flink die Treppe hinauf und an den zwei Frauen vorbei, die er dann mit seiner

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