Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
Leute!» Tommasini strich mit den Händen über seine Jackenärmel, als hätte er sich in dem edlen Hotel schmutzig gemacht. «Haben Sie das gesehen, Commissario? Sie hat bei Dolce e Gabbana eingekauft, und ich sage Ihnen, das Zeug hat mindestens tausend Euro gekostet, wenn nicht mehr! Wenn ich daran denke, dass meine alte Tante Rosina mit vierhundertzwanzig Euro Rente auskommen muss …»
«Jaja, du hast ja recht. Aber betrachte es mal anders: Susanne Ullmann unterstützt mit ihrem Kauf unsere Wirtschaft. Wenn es keine Leute wie sie gäbe, dann müssten Näherinnen entlassen werden, Boutiquen schließen, Werbeagenturen würden pleitegehen, Models noch mehr hungern, als sie es ohnehin schon tun.»
Tommasini warf dem Commissario einen missmutigen Blick zu. «So kann man es auch sehen», brummte er. «Glauben Sie, dass die Frau was mit Hardenbergs Tod zu tun hat?»
«Ich glaube gar nichts, Tommasini. Es gibt nur ein paar interessante Verschwörungsmodelle, und ich denke, dass es sich lohnt, jedes zu überprüfen.»
«Wäre nicht schlecht, wenn Sie mich einweihen würden, Commissario.»
«Mach ich. Auf dem Weg zu Maltempo. Wir holen ihn ab und schauen uns in der Banca libera um, danach fahren wir direkt zu Massimos Landhaus. Bin gespannt, wie er erklären wird, dass Hardenbergs Leiche in seinem Kofferraum war.»
«Sollen wir nicht die Finanzpolizei einschalten?»
«Bloß nicht. Die haben schon genug zu tun.»
Tommasini zog die Schultern hoch und streckte beinahe flehend die Hände aus. «Aber wir kennen uns mit Bankgeschäften überhaupt nicht aus!»
«Dann lernen wir’s eben, eh!»
«Ma …»
«Ma basta, collega!»
Dreimal hatte Laura die Akten über die Ermittlungen im Fall der Hardenberg Bank gelesen. Sie hatte sich Notizen gemacht, war nachdenklich zwischen Schreibtisch und Fenster im Kreis gelaufen, hatte eine ganze Flasche Mineralwasser ausgetrunken und war zu dem Ergebnis gekommen, dass ihr die ganze Materie höchst unangenehm erschien. Am liebsten hätte sie den Ordner sofort an ihren Vorgesetzten zurückgegeben.
Inzwischen war es längst Nachmittag, und lautes Magenknurren erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück nichts gegessen hatte. Egal, sie musste herausfinden, wer dieses Protokoll geschrieben hatte. Es ging dabei weniger um die Bank, als um den Sicherheitsdienst der Bank. Zwar hingen die beiden Elemente eng zusammen, doch sie schienen auch unabhängig voneinander zu agieren. Vielleicht sogar gegeneinander. Laura versuchte, eine Kopie des unvollständigen Protokolls im Intranet zu finden, doch es gab keine.
Die Ermittlungen wurden mit Sicherheit vom Dezernat für Wirtschaftskriminalität beim LKA durchgeführt. Sie kannte die Kollegen in dieser Abteilung nicht besonders gut, nur einer fiel ihr ein, mit dem sie vor ein paar Jahren zusammengearbeitet hatte. Kilian hieß er, Hauptkommissar Rupert Kilian. Aber sie hatte keine Ahnung, ob er noch beim LKA arbeitete oder längst irgendwo anders. Wenn sie sich richtig erinnerte, war sein Ziel das Bundeskriminalamt gewesen.
Wieder knurrte ihr Magen. Wenn ich nicht bald was esse, falle ich um, dachte sie, griff nach dem Telefon und wählte die Nummer der LKA-Zentrale. Es gab ihn noch, den ehrgeizigen Hauptkommissar Kilian, und kurz darauf war sie bereits mit ihm verbunden.
«Salve, Laura», rief er so laut ins Telefon, als müsste er die Entfernung zwischen ihren Arbeitsplätzen allein mit seiner Stimme überwinden.
«Salve, Rupert. Ich muss dich etwas fragen, und das möchte ich nicht am Telefon machen. Außerdem habe ich Hunger. Kannst du in einer halben Stunde in den Hofbräu am Wiener Platz kommen?»
«Du hast Nerven! Wir haben seit mindestens zwei Jahren nicht mehr miteinander geredet, und jetzt soll ich in einer halben Stunde parat stehen! Um was geht’s überhaupt?»
«Das möchte ich dir nicht am Telefon sagen, aber es ist wichtig! Außerdem hättest du mich ja auch anrufen können in diesen zwei Jahren, oder?»
«Also … ich steck gerade mitten in einer Computerrecherche …»
«Dann mach das Ding aus und schau aus dem Fenster. Die Sonne scheint, vielleicht können wir sogar im Biergarten sitzen.»
«Ist es dienstlich oder privat?»
«Meine Güte, jetzt stell dich doch nicht so an. Es ist dienstlich, und wir treffen uns privat, weil es sich um eine etwas verzwickte Geschichte handelt.»
«Gib mir ’n Tipp.»
«Kein Tipp.»
«Gut, ich komme. Gib mir eine Stunde.»
«Fünfundvierzig Minuten.»
«Okay, okay, Laura.
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