Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
junge Frau, die in diesem Moment durch die Drehtür das Foyer betrat.
«Ich denke, die Frau, auf die wir warten, ist gerade angekommen.»
Tommasini schaute zu dem jungen Mann an der Rezeption hinüber. Der verbeugte sich kaum merklich, nickte und lächelte der Frau zu. Sie durchquerte schnell die Eingangshalle, machte an der Rezeption halt und fragte leise, aber doch so laut, dass Guerrini und Tommasini es hören konnten, ob jemand eine Nachricht für sie hinterlassen hätte.
«Mi dispiace molto, Signora Ullmann, niemand hat eine Nachricht hinterlassen», erwiderte der junge Mann mit einer erneuten höflichen Verbeugung. «Aber die beiden Herren dort drüben warten auf Sie.»
Susanne Ullmann drehte sich so schnell zu Guerrini und Tommasini um, dass ihr langes Haar flog und mit einem weichen Schwung ihr halbes Gesicht bedeckte. Sie strich es zurück, musterte die beiden Wartenden, wandte sich zum Mann an der Rezeption und sagte: «Ich kenne die Herren nicht.»
«Es sind Polizisten, Signora.»
«Polizisten?»
«Sì, vielleicht wissen die etwas über den Verbleib von Signor Hardenberg, Signora.»
Guerrini und Tommasini erhoben sich beinahe gleichzeitig, als die junge Deutsche zögernd ein paar Schritte in ihre Richtung machte.
«Che cosa è successo?», fragte sie, und Tommasini fand, dass ihr Italienisch zwar ein bisschen fremd klang, aber doch ziemlich gut war. Zumindest in diesem einen Satz.
Guerrini stellte sich und Tommasini vor und fragte, ob man sich in irgendeinem Nebenzimmer ungestört unterhalten könnte.
«Kommen Sie mit nach oben», sagte sie. «Unsere Suite ist vollkommen ruhig.»
Sie griff nach der großen Plastiktüte, auf der «Dolce e Gabbana» stand, und ging zur Treppe voraus, den Lift offenbar meidend. Guerrini und Tommasini folgten in einigem Abstand.
«Unsere Suite», flüsterte Tommasini. «Da haben wir’s schon wieder.»
«Seit wann bist du eigentlich Klassenkämpfer?»
«Ich bin Toskaner», erwiderte Tommasini leise und würdevoll. «Sie doch auch, Commissario.»
«Ja, ich auch», erwiderte Guerrini, zwinkerte seinem Kollegen zu, und nebeneinander folgten sie der deutschen Signora über die teppichgedämpften Stufen in den ersten Stock des Hotels.
«Es ist etwas passiert, nicht wahr? Er hatte einen Unfall … liegt er im Krankenhaus?» Susanne Ullmann stand an einem der Fenster des prunkvollen Wohnraums und umklammerte mit einer Hand den schweren dunkelblauen Stoff des Vorhangs. Tommasinis besorgter Blick wanderte hinauf zur Stange. Sie schien zu halten.
«Es wäre vielleicht besser, wenn Sie sich setzen würden, Signora Ullmann.» Guerrinis Stimme klang sanft, aber bestimmt. Eigentlich ist sie eher eine Signorina, dachte er, so jung, wie sie aussieht.
«Weshalb sollte ich mich setzen? Ich kann schlechte Nachrichten auch im Stehen entgegennehmen.»
«Wirklich?»
Sie antwortete nicht, löste aber nach ein, zwei Minuten die Hand vom Vorhang und verharrte als Silhouette vor dem warmen Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster drang und ihr Haar aufleuchten ließ, als trage sie einen Heiligenschein.
«Ich weiß es nicht», sagte sie leise, machte aber keinerlei Anstalten, sich zu setzen, sondern schaute dem Commissario mit einem seltsam vorwurfsvoll abwehrenden Ausdruck in die Augen.
Guerrini versuchte sich auf ihre Reaktion vorzubereiten. Er war erleichtert, dass sie beinahe perfekt Italienisch sprach. Zusammenbrechen würde sie wohl nicht, eher unruhig im Zimmer herumlaufen und Fragen stellen. Fragen, die immer lauter wurden und auf die es gar keine Antworten geben konnte.
«Also, was ist los?» Ihre Stimme klang auf einmal ungeduldig und beinahe ärgerlich.
«Ich bedauere sehr, Signora, dass ich Ihnen eine schlechte Nachricht überbringen muss. Signor Hardenberg wurde gestern Abend tot aufgefunden …»
«Weshalb erfahre ich das erst jetzt? Weshalb musste ich noch eine schlaflose Nacht aushalten? Weshalb, Commissario?»
«Es tut mir sehr leid. Aber Signor Hardenberg musste erst zuverlässig identifiziert werden …»
Sie unterbrach ihn mit einem zornigen Ausruf. «Das hätte ich machen können! Wer kennt ihn denn hier?»
«Geschäftspartner, Signora Ullmann. Er hatte Geschäftspartner in Florenz.»
«Meinen Sie diesen feinen Paolo Massimo, der ihn um seine Bank bringen will?»
«Kennen Sie ihn?»
«Ich habe ihn einmal in München getroffen. Er war mir höchst unsympathisch. Ein Mann mit schmalen Lippen und ausdruckslosem Gesicht. Ich hätte nie gedacht, dass es
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