Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
solche Italiener gibt …»
Wie Guerrini vorausgesehen hatte, begann sie unruhig umherzugehen, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern.
Der Commissario wechselte einen Blick mit Tommasini, der leise den Kopf schüttelte und die Stirn runzelte.
Sie hat noch nicht gefragt, wie Hardenberg umgekommen ist, dachte Guerrini.
«Wir wollten nach Lucca fahren», murmelte sie, blieb plötzlich vor Guerrini stehen und warf ihr Haar zurück. Eine Strähne klebte auf ihrer Wange, und Guerrini sah, dass ihre Haut gerötet und feucht war.
«Wo wurde er gefunden?» Ihre Stimme klang auf einmal zu laut und fast blechern.
«Nicht in Florenz.»
«Wo dann?»
«Auf dem Land, ein ganzes Stück entfernt von Florenz.»
«Wo, verdammt noch mal!»
«Südlich von Siena.»
«Ich will genau wissen, wo. Ich kenne die Toskana. Also reden Sie nicht so unklares Zeug!»
«In der Nähe von Bagno Vignoni.»
Wieder begann sie herumzulaufen, wiederholte ein paarmal den Namen des Ortes und rief Fragen durchs Zimmer, die sie eher an sich selbst oder den toten Hardenberg zu richten schien: «Wie kommst du nach Bagno Vignoni? Ich habe dich vor diesem Massimo gewarnt. Erinnerst du dich nicht? Ich habe gesagt: Lass uns sofort nach Lucca fahren!»
«Wann haben Sie das zu Hardenberg gesagt, Signora?»
Susanne Ullmann fuhr herum und starrte den Commissario an. «Was haben Sie gesagt?»
«Ich habe Sie gefragt, wann Sie das zu Leo Hardenberg gesagt haben und warum. Das frage ich jetzt: Warum?»
«Weil ich diesem Massimo nicht traue!»
«Sie haben noch immer meine Frage nicht vollständig beantwortet: Wann haben Sie gesagt, lass uns sofort nach Lucca fahren?»
Unerwartet ließ sich die junge Frau in einen tiefen, mit blauem Samt bezogenen Sessel fallen, rollte sich zusammen wie ein kleines Tier und barg ihren Kopf zwischen den Armen. Tommasini stieß einen fast unhörbaren Seufzer aus und zuckte die Achseln. Langsam zog Guerrini einen zweiten blauen Sessel heran und setzte sich neben Susanne.
Jetzt hat sie begriffen, dachte er und wartete ein paar Minuten, ehe er sich räusperte und leise sein Mitgefühl ausdrückte. Was sagte man in solchen Situationen – wieder und wieder, in all den Jahren? «Es tut mir leid. Ich fühle mit Ihnen. Es ist schlimm. Ich weiß, dass es kaum zu begreifen ist …» Worte, die manchmal ehrlich gemeint waren und manchmal nicht. Meinte er es diesmal ehrlich? Bedingt. Wie ehrlich war die Verzweiflung der jungen Geliebten eines mittelalten Bankers? Guerrini konnte es nicht beurteilen. Sie hatte noch nicht einmal gefragt, ob Hardenberg durch einen Unfall oder einen Mord ums Leben gekommen war. Wieder räusperte er sich.
«Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns trotz Ihres Schmerzes helfen würden. Wann haben Sie Leo Hardenberg zum letzten Mal gesehen?»
Tommasini presste die Lippen zusammen, wandte sich zum Fenster und schaute hinaus, als könne er dort eine Antwort finden. Als er den Vorhang bewegte, leuchtete in der Sonne eine Wolke feinster Staubkörnchen auf, und er hustete hinter vorgehaltener Hand.
Irgendwo in der Suite tropfte ein Wasserhahn, so langsam und aufdringlich, dass es Guerrini nervös machte. Er hatte plötzlich Lust, Susanne Ullmann damit zu konfrontieren, dass sie durchaus zum Kreis der Verdächtigen zählte, dass Frauen ihr Opfer bevorzugt durch Vergiften töteten, dass er ein Komplott zwischen ihr und Paolo Massimo für möglich hielt oder ein Komplott gegen Massimo, an dem sie beteiligt war. Letzteres war eigentlich keine schlechte Idee. Gerade wollte er seine Gedanken aussprechen, da hob sie den Kopf.
«Dieser verdammte Wasserhahn», sagte sie mit belegter Stimme. «Ich habe mich schon zweimal beschwert.»
Guerrini starrte sie verblüfft an, und Tommasini drehte sich so schnell um, dass er beinahe das Gleichgewicht verlor. «Wie kommen Sie denn jetzt auf den Wasserhahn?», fragte er.
«Er tropft.»
«Bene, er tropft! Aber der Commissario hat Ihnen eine Frage gestellt, und es wäre besser, wenn Sie sie beantworten würden, Signorina.»
Susanne Ullmann strich sich mit den Fingerspitzen über das Gesicht und nickte nachdenklich. Ihr Lidstrich war zerlaufen und ließ ihre erstaunlicherweise nicht blauen, sondern hellbraunen Augen größer erscheinen.
«Ich habe Leo vorgestern zum letzten Mal gesehen. Er wollte sich mit Paolo Massimo zum Mittagessen treffen. Ich habe ihn angefleht, mich mitzunehmen, weil ich die Situation für gefährlich hielt. Sie beide sind italienische Polizisten,
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