Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
und schon gab es einen Grund für die fristlose Kündigung. Das Opfer ist ein Freund von mir, deshalb kenne ich den Fall ziemlich genau.»
«Können Sie mir Details nennen?»
«Nein, das möchte ich nicht. Der Fall wird gerade vor Gericht verhandelt.»
«In München?»
«Nein. Aber kommen wir zu Ihrer ersten Frage zurück: Wie es mir mit meiner Arbeit geht? Nicht besonders gut, wie Sie sich vorstellen können. Ich und die meisten meiner Kollegen stehen unter massivem Druck, der sich in den letzten Jahren immer mehr verstärkt hat. Bankenkrise, Schuldenkrise, Wirtschaftskrise und extreme Profitgier. Das ist eine hübsche Mischung. Ich habe inzwischen ein Magengeschwür und schlafe schlecht. Bestimmte Typen halten das alles bis zu einem gewissen Grad aus: Spieler, Hochstapler und Psychopathen. Es gehört eine Menge Skrupellosigkeit dazu, in diesem Spiel erfolgreich zu sein und vor allem Spaß daran zu haben. Ich kenne Investmentbanker, für die das Risiko und die Aussicht auf enorme Boni zur Sucht geworden sind. Leider habe ich etwas zu spät herausgefunden, dass ich mich nicht besonders gut für diese Art Leben eigne. Vielleicht hätte ich doch besser Profiradfahrer werden sollen. Obwohl es in dem Geschäft inzwischen auch nicht viel anders zugeht.»
Fornello lächelte bitter, seufzte tief und schaute auf seine Armbanduhr. «Ich muss zurück ins Büro. Mein nächster Kunde kommt in zehn Minuten.» Er trank seinen Kaffee aus, leerte auch das Wasserglas und wandte sich Laura zum ersten Mal richtig zu.
«Schockiert?»
«Ein bisschen.»
«Tut mir leid.»
«Das muss Ihnen nicht leidtun. Nur noch eine Frage: Warum steigen Sie nicht aus?»
«Ich weiß es nicht, Frau Kommissarin. Wahrscheinlich bin ich zu feige. Außerdem habe ich nichts anderes gelernt. Könnten Sie so einfach aussteigen?»
«Nein. Aber ich leide nicht so extrem unter meinem Beruf. Meistens finde ich ihn sogar ziemlich sinnvoll.»
«Beneidenswert. Na ja, ich verlasse mich auf Ihre Diskretion. Jetzt muss ich wirklich gehen.» Er winkte der Kellnerin.
«Lassen Sie nur, ich lade Sie ein. Danke für Ihre Offenheit. Sie haben mir wirklich sehr geholfen, Herr Fornello.»
«Sie mir im Grunde auch. Mit Kollegen kann ich nicht so offen reden. Wir sind alle auf der Hut voreinander. Danke für den Kaffee. Eigentlich darf ich gar keinen trinken, wegen meines Magengeschwürs. Aber ich kann nicht immer widerstehen. Una bella giornata, Signora Gottberg, und erfolgreiche Arbeit. Übrigens finde ich Sie auch sympathisch und … ich glaube zu ahnen, um welche Bank es sich bei Ihren Ermittlungen handelt.»
«Ahnen Sie besser nichts. Grazie tanto!» Laura winkte ihm nach und aß dann langsam erst ihre und dann seine Butterbreze. Sie bestellte einen zweiten Cappuccino und dachte nach. Sich in die Psyche eines Bankers zu versetzen, würde ihr schwerfallen. Mit dem Geld anderer zu spielen, erschien ihr nicht besonders verlockend. Was sie bisher vom Leben der Broker in London und anderswo gelesen hatte, ebenfalls nicht. Champagnerpartys, Luxusautos und Konsumorgien waren nicht ihr Ding. Diese Typen benutzten ihre Millionenboni zu völlig sinnlosen Aktionen, statt etwas Sinnvolles mit dem vielen Geld anzufangen: zum Beispiel nicht mehr zu arbeiten, um keinen weiteren Schaden anzurichten. Ihr hatte es sowieso nie eingeleuchtet, was Menschen mit einem Jahresgehalt von mehreren Millionen machten und worin deren Motivation bestand, noch mehr Millionen anzuhäufen.
Ich bin für diese Ermittlungen nicht geeignet, dachte sie, da geht es mir wie Fornello mit seinem Beruf. Und trotzdem interessiert es mich jetzt ein bisschen mehr, an diesem Fall weiterzuarbeiten. Eines habe ich vergessen zu fragen: Ob Fornello es für möglich hält, dass Banker andere Banker aus all den genannten Gründen ermorden. Vermutlich hätte er einfach «Ja» gesagt.
Als Commissario Guerrini an diesem Abend auf seine kleine Dachterrasse hinaustrat, war er so tief in Gedanken versunken, dass er die Aussicht über die Türme von Siena gar nicht wahrnahm. Er setzte sich, trank zu schnell das Glas Rotwein aus, drehte es in seinen Händen und versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Massimos Drohungen hatte er erwartet und doch nicht so ernst genommen, wie sie jetzt erschienen. Selbst, wenn er dem Bankier den Mord an Hardenberg nachweisen könnte, würde der alles daransetzen, ihn, Guerrini, zu ruinieren. Und es würde genauso funktionieren, wie Massimo es ausgemalt hatte.
Irgendwelche Leute
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