Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
Bin ja gespannt, ob mir das gelingen wird.
Die Autoschlange setzte sich langsam in Bewegung. Endlich konnte Laura die verstopfte Kreuzung hinter sich lassen, und kurz darauf bog sie auf den Parkplatz des Krankenhauses ein.
Kommissar Baumann sah nur wenig besser aus als vor drei Tagen. Sein Gesicht war ein bisschen abgeschwollen und hatte eine Färbung angenommen, die zwischen dunkellila und gelb changierte. Noch immer schaute er Laura aus Augenschlitzen entgegen, die ihm einen grotesken, beinahe chinesischen Anstrich gaben. Sein operiertes Bein war höher gelagert und dick eingegipst. Grüßend hob er die unverletzte Hand, zeigte den Ansatz eines Lächelns und sagte undeutlich:
«Hallo, Partner, schön, dich zu sehen.»
«Grüß dich, Partner. Du siehst besser aus!»
«Ja, wie das klassische Unfallopfer in Witzzeichnungen! Fehlt nur noch der Witz …»
«Vielleicht erheitert es dich, wenn ich dir erzähle, dass Becker mich auf den Mond schicken will oder – immerhin – nach Siena. Aber nicht auf Staatskosten. Nur, damit ich verschwinde.»
«Was hat er denn gegen dich?»
«Er will mich in einer bestimmten Sache nicht ermitteln lassen.»
«In der mit dem toten Banker?»
«In genau der. Woher weißt du denn das?»
«Claudia hat’s mir erzählt.»
«Na gut, lassen wir das.»
«Es interessiert mich aber.»
«Dich sollte vor allem deine Genesung interessieren und nicht der Klatsch aus dem Präsidium. Wie fühlst du dich überhaupt?»
«Ich sagte doch schon: wie eine Witzfigur.»
«Hast du Schmerzen? Wie geht’s deiner Angst?»
«Ah, Laura, das schätze ich an dir: klare Fragen, keine Umwege.»
«Meine Güte, wir kennen uns lange genug, Peter. Vor mir musst du nicht den Helden spielen, ich weiß, dass du einer bist!»
«Danke.»
«Also, wie stehen die Dinge?»
«Na ja.» Er verzog das Gesicht. «Die Schmerzen sind auszuhalten. Die pumpen mich mit Schmerzmitteln voll, das kann ich dir sagen. Ich will das eigentlich nicht, aber der Arzt hat gesagt, dass Schmerzen den Körper stressen und deshalb die Heilung behindern.»
«Klingt einleuchtend.»
«Außerdem spritzen sie mir Blutverdünner, Antibiotika und wer weiß, was sonst noch. Ohne Schmerzmittel könnte ich gar nicht reden, weil mein Kiefer irrsinnig weh täte. Am liebsten würde ich diesem Kerl nachträglich ein paar in die Fresse geben.»
«Hört sich nach deutlicher Besserung an.»
«Sitzt der?»
«Er sitzt.»
«Hast du ihn dir angesehen?»
«Noch nicht, mach ich aber noch.»
«Der hat mal für eine Sicherheitsfirma gearbeitet.»
«Woher weißt du denn das schon wieder?»
«Nowak hat’s mir gesagt. Der war gestern Abend hier. Verdammt nett von ihm.»
«Hat er dir zufällig auch gesagt, für welche Sicherheitsfirma der Schläger gearbeitet hat?»
«Nein. Ist das wichtig?»
«Vielleicht, Partner. Danke für die Information.»
«Du sagst mir gar nichts, oder?»
«Hab ich dir nicht gerade genug erzählt?»
«Erzählt schon, aber nicht genug.»
«Du sollst gesund werden und dich nicht mit dem Mist befassen, der außerhalb dieses Krankenhauses vor sich geht. Sag mir lieber, ob du noch unter Angstanfällen leidest.»
«Ja.»
«Schlimm?»
«Ja.»
«Hast du mit dem Arzt darüber gesprochen?»
«Ja.»
«Er mit dir oder du mit ihm?»
«Laura, ich warne dich!»
«Okay, ich bin ja schon still.»
«Danke.»
«Guerrini träumt von fliegenden Hunden, seit er angeschossen wurde. Das nur zu deiner Beruhigung.»
«Ich finde es nicht besonders beruhigend.»
«Aber es geht dir nicht allein so.»
«Das hat der Arzt auch gesagt. Normal sei meine Reaktion.»
«Stimmt wahrscheinlich.»
«Ich finde es nicht normal, wenn mir der Schweiß ausbricht und ich keine Luft bekomme, weil draußen auf dem Flur jemand was fallen lässt.»
«Das geht vorbei, Peter. Was du erlebt hast, kannst du nicht so einfach wegstecken, als wär nichts gewesen.»
«Danke für deine ermutigenden Worte. Ähnliches hat Claudia auch gesagt.»
«Für nächstes Mal lass ich mir etwas anderes einfallen. Übrigens fehlst du mir.»
«Zu viel Arbeit, was?» Er versuchte sein ironisches Grinsen. Es misslang.
«Nein, einfach so. Ob du’s glaubst oder nicht. Und jetzt geh ich, weil ich mich mit meinem Anlageberater treffen muss.»
«Geerbt?»
«Leider nicht. Arbeit.»
«Erzählst du mir nächstes Mal ein bisschen mehr?»
«Vielleicht. Gute Besserung.»
Laura drückte dem verblüfften jungen Kommissar einen Kuss auf die gelbe Wange und ging.
Florian Fornello
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