Zeit der Skorpione: Laura Gottberg ermittelt (German Edition)
persönlich?»
«Ich möchte mir vorstellen können, wie sich ein Banker fühlt. Nicht unbedingt der junge Mann an der Kasse oder am Schalter, sondern jemand wie Sie, der über Kredite entscheidet oder Aktien empfiehlt. Jemand, der Privatkunden berät oder auch jemand, der Firmen, Städte und Gemeinden finanziert.»
«Also gut. Alles, was ich Ihnen jetzt erzählen werde, ist vertraulich, Frau Gottberg. Ich bin Ihnen zum Beispiel sehr dankbar dafür, dass Sie mich auf Italienisch eingeladen haben. Es kann sein, dass meine Gespräche im Büro mitgehört werden, muss aber nicht. Vorsicht ist auf alle Fälle besser.
Sie haben sich vielleicht gewundert, dass ich mich so deutlich über Ihren Anruf gefreut habe. Es lag schlicht daran, dass mir drei Kundengespräche für den heutigen Tag gefehlt haben, und mit Ihrem Besuch habe ich immerhin nur noch zwei Minustermine. Alle unsere Termine werden registriert, und es gibt Erfolgsziele für unsere Arbeit. Wer die nicht erreicht, muss sich sehr unangenehme Dinge sagen lassen.» Fornello sprach jetzt stoßweise mit angespannten hochgezogenen Schultern. Hin und wieder unterbrach er seine Rede mit einem langgezogenen «ehhh», als klemmten die Worte plötzlich irgendwo zwischen Schultern und Hals. Wenn er dann weitersprach, brachen die Sätze schnell hervor, als hätten sie sich zuvor gestaut, und die Lautstärke steigerte sich allmählich, bis alles wieder im «ehhh» endete.
«Unsere, also auch meine Arbeit besteht vor allem im Drücken von Computerknöpfen. Wir vergeben zum Beispiel keine Kredite, das macht der Computer. Dafür gibt es bestimmte Programme, die Kunden als lohnend oder als uninteressant einstufen. Niemand wird diesen Computerannahmen widersprechen. Meine Menschenkenntnis oder mein Verhältnis zu einem Kunden spielen keine Rolle mehr. Heute entscheiden Algorithmen, und wie deren Ergebnis zustande kommt, weiß niemand.»
Wieder endete er mit einem «ehh» und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als versuchte er seine Sommersprossen wegzuwischen. Dass die Kellnerin inzwischen Kaffee und Brezen auf den Tisch gestellt hatte, schien er nicht bemerkt zu haben.
«Mir wurde zum Beispiel vor einiger Zeit mitgeteilt, dass ich beobachtet werde, weil man mit meinen Vertriebszahlen nicht zufrieden sei. Falls ich bis Jahresende keine besseren Umsätze bringe, könnte das zur Kündigung führen. Aber ich kann Ihnen eines sagen, Frau Gottberg: Die müssen ihren Mitarbeitern gar nicht kündigen, die sind derartig gut darin, einen fertigzumachen, dass man entweder krank wird oder freiwillig geht. Dazu kommt, dass die Filialleiter und Bankmanager ebenfalls unter dem Druck der Vorstände stehen. Schleudersitze überall. Und den Druck geben die natürlich nach unten weiter.
Wir müssen bestimmte Finanzprodukte verkaufen, die sich für die Bank lohnen. Dabei sind auch hochriskante Papiere, Derivate zum Beispiel, deren Zusammensetzung nicht einmal Fachleute durchschauen. Unter diesem Gesichtspunkt können Sie tatsächlich sagen, dass Banker wie Gangster handeln. Sie sind Teil eines ziemlich erbarmungslosen Systems, bei dem es nur ums Überleben und um Profite geht.» Er schaute Laura mit einem fast erstaunten Ausdruck an, als kehre er von weit her zurück. «Entschuldigen Sie die lange Rede. Es hat mir gutgetan, das alles laut zu sagen.»
«Ihr Kaffee wird kalt.»
Fornello riss zerstreut ein Zuckertütchen auf und leerte es zur Hälfte in seinen Cappuccino. «Ich kann Ihnen garantieren, dass bei der heutigen Situation auf den Finanzmärkten in Banken mehr gebetet wird als in Kirchen – und ganz sicher werden auch mehr Pakte mit dem Teufel geschlossen als jemals zuvor.» Er trank einen Schluck und schob dann den Teller mit der Breze ein Stück weg.
«Welche Rolle spielen Sicherheitsfirmen dabei?»
«Na ja, sie sind die Wächter des Systems. Sie schützen es nach außen, vor Betriebsspionage zum Beispiel, und nach innen vor Angestellten, die ihre eigenen Geschäfte betreiben, Insiderhandel etwa. Sicherheitsfirmen können sogar sehr mächtig werden, weil sie auch die dunklen Seiten einer Firma oder Bank kennen. Dieses Wissen können solche Firmen für ihre eigenen Zwecke nutzen.»
«Für Erpressung, zum Beispiel?», fragte Laura
«Natürlich. Wenn eine Sicherheitsfirma richtig gut und sehr diskret ist, dann kann der Vorstandsvorsitzende sie auch dazu benutzen, unbequeme Manager loszuwerden. Ich kenne so einen Fall. Die Sicherheitsfirma hat einen Geheimnisverrat inszeniert,
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