Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
Halme vom letzten Jahr.
Wenn er gewesen war, wo er glaubte, gewesen zu sein, wenn er wirklich … zurück… gegangen war … dann hatte er sich jetzt wieder vorwärtsbewegt, aber nicht zum selben Ort, an dem er gewesen war. Wie lange? Ein Jahr, zwei? Er setzte sich ins Gras, zu erschöpft, um weiter zu stehen. Er fühlte sich, als wäre er jede Sekunde der Zeit zwischen damals und jetzt zu Fuß gegangen.
Er hatte getan, was der grünäugige Fremde gesagt hatte. Hatte sich mit aller Kraft auf Dolly konzentriert. Aber er hatte nicht verhindern können, dass er auch an den kleinen Roger dachte, nicht ganz und gar. Wie konnte er auch? Seine lebhafteste Erinnerung an Dolly war das Bild, wie sie den Jungen dicht an ihre Brust hielt; das war es, was er gesehen hatte. Und doch hatte er es geschafft. Glaubte er. Vielleicht.
Was mochte nur geschehen sein?, fragte er sich. Ihm war keine Zeit zum Fragen geblieben. Und auch keine Zeit zu zögern; immer mehr Lichter hatten sich in der Dunkelheit genähert, begleitet von northumbrischem Kauderwelsch, auf der Jagd nach ihm, und er hatte sich in die Mitte der aufrechten Steine geworfen, und wieder war alles aus dem Lot geraten, schlimmer noch. Er hoffte, dass die Fremden, die ihn gerettet hatten, davongekommen waren.
In die Irre gegangen , hatte der blondhaarige Mann gesagt, und auch jetzt noch durchfuhren ihn die Worte wie ein Stück gezacktes Metall. Er schluckte.
Er glaubte zwar, dass er nicht mehr war, wo er gewesen war, aber war er selbst verirrt? Wo war er jetzt? Oder vielmehr wann?
Er verharrte eine Weile, um seine Kräfte zu sammeln. Nach einigen Minuten jedoch hörte er ein vertrautes Geräusch – Motorengebrumm und das Knirschen von Reifen auf Asphalt. Er schluckte krampfhaft, stand auf, wandte sich von den Steinen ab und der Straße zu.
ER HATTE GLÜCK – ausnahmsweise, dachte er sarkastisch. Auf der Straße war ein Truppentransport unterwegs, und er schwang sich ohne Schwierigkeiten auf eines der Fahrzeuge. Die Soldaten reagierten verblüfft auf sein Erscheinen – er war zerzaust, schmutzig und voller blauer Flecken, und er hatte einen Zweiwochenbart –, doch sie vermuteten sofort, dass er sich heimlich davongestohlen hatte und jetzt versuchte, sich zu seiner Einheit zurückzuschleichen, ohne dass man ihm auf die Schliche kam. Sie lachten und stießen ihn vielsagend an, hatten aber Mitgefühl, und als er zugab, dass er pleite war, legten sie spontan zusammen, damit er sich eine Zugfahrkarte kaufen konnte, wenn der Transport in Salisbury eintraf.
Er gab sich alle Mühe, zu lächeln und ihre Hänseleien über sich ergehen zu lassen. Sie verloren auch bald das Interesse an ihm und wandten sich ihren eigenen Gesprächen zu, und er konnte einfach nur schweigend und schwankend auf der Bank sitzen und das Dröhnen des Motors in seinen Beinen spüren, während ihn die Kameraden mit ihrer Gegenwart trösteten.
»Hey, Kumpel«, sagte er beiläufig zu dem jungen Soldaten neben ihm. »Welches Jahr haben wir?«
Der Junge – er konnte nicht älter als siebzehn sein, und Jerry spürte den Altersunterschied von fünf Jahren so, als wären es fünfzig – sah ihn mit großen Augen an, dann lachte er laut auf.
»Was hast du denn getrunken, Vati? Hast du noch etwas davon?«
Dies führte zu weiteren Hänseleien, und er versuchte nicht, noch einmal zu fragen.
War es überhaupt wichtig?
AN DIE FAHRT VON SALISBURY nach London konnte er sich kaum erinnern. Die Leute sahen ihn zwar merkwürdig an, doch niemand versuchte, ihn aufzuhalten. Es war nicht wichtig; das Einzige, was zählte war, zu Dolly zu kommen. Alles andere konnte warten.
London war ein Schock für ihn. Überall waren Bombenschäden. Straßen waren mit zerborstenen Schaufensterscheiben übersät, deren Scherben in der bleichen Sonne glitzerten; andere Straßen waren durch Barrieren blockiert. Hier und dort eine nüchterne schwarze Notiz: Nicht betreten – SCHARFE BOMBE.
Von St. Pancras aus ging er zu Fuß, denn er musste es sehen, und der Kloß in seinem Hals hätte ihn fast erstickt, als er sah, was geschehen war. Nach einer Weile nahm er keine Einzelheiten mehr wahr und betrachtete die Bombenkrater und den Schutt nur noch als Hindernisse, die ihm den Heimweg versperrten.
Und kann kam er heim.
Man hatte den Schutt am Straßenrand zu einem Haufen zusammengeschoben, ihn aber nicht fortgeräumt. Geschwärzte Klumpen aus Stein und Beton lagen wie ein Grabhügel dort, wo einmal Montrose Terrace gewesen war.
Der
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