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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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männlich oder weiblich waren; sie schienen keines von beidem zu sein, und sie fragte sich, ob es vielleicht Engel waren – Engel hatten kein Geschlecht, was ihnen mit Sicherheit viel Ärger ersparte. Jeanne d’Arcs Stimmen hatten immerhin den Anstand besessen, sich vorzustellen, nicht aber die ihren, oh nein. Wenn sie allerdings Engel waren und ihr ihre Namen sagten, würde sie sie ohnehin nicht erkennen. Möglicherweise hielten sie sich deshalb erst gar nicht damit auf?
    Nun denn. Wollte ihr diese Stimme sagen, dass Charles Pépin ein Verbrecher war? Sie sah ihn scharf an. Er sah nicht danach aus. Er hatte ein ausdrucksvolles, gut geschnittenes Gesicht, und Michael schien ihn zu mögen. Als Weinhändler musste Michael doch ein guter Menschenkenner sein, dachte sie.
    Doch was war es, was Mr. Charles Pépin nicht tun sollte? Plante er irgendein gemeines Verbrechen? Oder hatte er vor, seinem Leben ein Ende zu setzen wie der arme Kerl auf dem Schiff? Sie hatte immer noch eine Schleimspur vom Seetang an der Hand.
    Frustriert rieb sie sich unauffällig die Hand an ihrem Rock. Sie hoffte, dass die Stimmen im Konvent verstummen würden. Das war ihr allabendliches Gebet. Doch wenn sie es nicht taten, würde sie dort zumindest imstande sein, jemandem davon zu erzählen, ohne Angst haben zu müssen, dass man sie ins Irrenhaus brachte oder auf offener Straße steinigte. Sie würde einen Beichtvater haben, das wusste sie. Vielleicht konnte er ihr ja helfen herauszufinden, was sich Gott dabei gedacht hatte, ihr zwar eine solche Gabe zu vermachen, aber keine Erklärung, was sie damit tun sollte.
    Unterdessen behielt man Monsieur Pépin wohl besser im Auge. Sollte sie seinetwegen etwas zu Michael sagen, bevor sie ging? Aye, und was?, dachte sie hilflos.
    Dennoch war sie froh zu sehen, dass Michaels Blässe nachließ, während sich alle um ihn bemühten und sich darin übertrafen, ihm Leckerbissen zu servieren, ihm nachzuschenken und ihm Neuigkeiten zu erzählen. Außerdem stellte sie erfreut fest, dass sie das meiste verstand, was sie sagten, als sie sich jetzt entspannte. Jared – das musste Jared Fraser sein, Michaels betagter Verwandter, der die Weinhandlung gegründet hatte und dem das Haus gehörte – war zwar noch in Deutschland, sagten sie, doch sie rechneten täglich mit seiner Rückkehr. Außerdem hatte er Michael einen Brief geschickt, wo war er nur? Nicht so schlimm, er würde schon auftauchen … Und la Comtesse de Maurepashad hatte letzten Mittwoch bei Hofe einen Anfall bekommen, einen regelrechten Anfall , als sie sich Mademoiselle de Perpignan gegenübersah, die eine Kreation in genau jenem Erbsgrün trug, welches allein der Comtesse zustand. Der Himmel wusste, warum, weil sie darin stets wie ein Käse aussah. Daraufhin hatte sie ihre Zofe, die sie darauf aufmerksam machte, so heftig geohrfeigt, dass das arme Ding quer durch das Zimmer segelte und mit dem Kopf gegen eine der verspiegelten Wände stieß, die dabei zu Bruch gegangen war, was natürlich Unglück brachte. Nur: Die Leute konnten sich nicht einigen, wem – der Comtesse, der Zofe oder Perpignan.
    Vögel , dachte Joan verträumt und nippte an ihrem Wein. Sie klingen genau wie muntere Vögelchen, die auf einem Baum vor sich hin zwitschern.
    »Der Schneiderin, die Perpignan das Kleid gemacht hat«, sagte Michael mit dem Hauch eines Lächelns. »Sobald la Comtesse herausfindet, wer es ist.« Dann fiel sein Blick auf Joan, die mit der Gabel in der Hand dasaß – eine richtige Gabel, und dann auch noch aus Silber! – und sich so angestrengt auf das Gespräch konzentrierte, dass ihr Mund halb offen stand.
    »Schwester Joan. Schwester Gregory, meine ich; es tut mir so leid, das habe ich ganz vergessen. Wenn Ihr genug gegessen habt, möchtet Ihr Euch vielleicht waschen, bevor ich Euch in den Konvent bringe?«
    Er war schon halb aufgestanden und streckte die Hand nach einer Glocke aus, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte eine Dienstmagd sie nach oben entführt, sie mit geschickter Hand entkleidet, angesichts ihrer stinkenden Kleider die Nase gerümpft und Joan in einen Bademantel aus herrlichster grüner Seide gehüllt, so leicht wie Luft, und sie dann in ein kleines Zimmer gebracht, dessen Boden und Wände mit Stein gefliest waren und in dem eine Kupferwanne stand. Dann war sie verschwunden, nachdem sie ein paar Worte gesagt hatte, unter denen Joan das Wort » eau « aufschnappte.
    Sie setzte sich auf den hölzernen Hocker, der für sie bereitstand,

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