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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und hielt die Robe fest um ihren nackten Körper geschlungen. Ihr war schwindelig, und das nicht nur vom Wein. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und versuchte, sich aufs Beten zu verlegen. Gott war überall, sagte sie sich, auch wenn es peinlich war, sich vorzustellen, dass Er mit ihr in einem Badezimmer in Paris war. Sie kniff die Augen noch fester zu und begann entschlossen den Rosenkranz, angefangen mit den Freudenreichen Geheimnissen.
    Erst nach der seligen Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria fühlte sie sich wieder besser. So hatte sie sich ihren ersten Tag in Paris ganz und gar nicht vorgestellt. Nun, immerhin würde sie etwas haben, das sie ihrer Mutter schreiben konnte, das war gewiss. Falls man sie im Konvent Briefe schreiben ließ.
    Das Dienstmädchen kam mit zwei großen Kannen dampfenden Wassers zurück, die sie platschend in die Wanne entleerte. Ein weiteres Mädchen folgte ihr ähnlich ausgestattet, und gemeinsam bewogen sie Joan, sich zu erheben, den Bademantel abzulegen und in die Wanne zu steigen, bevor sie das erste Wort des Vaterunsers der dritten Dekade gesprochen hatte.
    Sie sagten französische Dinge zu ihr, die sie nicht verstand, und hielten ihr einladend die merkwürdigsten Gegenstände hin. Sie erkannte das Seifentöpfchen, zeigte darauf, und augenblicklich goss ihr eine der beiden Frauen Wasser über den Kopf und begann, ihr das Haar zu waschen.
    Seit Monaten schon verabschiedete sie sich jedes Mal von ihrem Haar, wenn sie es kämmte. Sie hatte sich in den Verlust ergeben, denn ob sie es sofort als Postulantin oder später als Novizin opfern musste, es musste eindeutig fort. Der Schock der geschickten Finger, die ihr jetzt die Kopfhaut massierten, die schiere Wonne des warmen Wassers, das ihr durch das Haar rann, welches sich dann als nasses Gewicht an ihre Brüste schmiegte – war das Gottes Art, sie zu fragen, ob sie es sich wirklich gut überlegt hatte? War ihr bewusst, was sie aufgeben würde?
    Nun, ja, das war es. Und sie hatte es sich gut überlegt. Andererseits … Sie konnte sie ja nicht bitten aufzuhören; das wäre unhöflich gewesen. Die Wärme des Wassers ließ ihr den Wein, den sie getrunken hatte, noch schneller durch die Adern fließen, und sie fühlte sich, als würde sie wie Toffee geknetet und gezogen, bis sie zu einer glänzenden, fließenden Schliere zusammensank. Sie schloss die Augen und versuchte nicht länger, sich zu erinnern, wie viele »Gegrüßet seist du, Maria« noch an der dritten Dekade fehlten.
    Erst als die Dienstmädchen sie rosig und dampfend aus dem Bad gezogen und sie in ein wirklich bemerkenswertes, riesiges, flauschiges Handtuch geschlungen hatten, erwachte sie abrupt aus ihrer Sinnestrance. Die kalte Luft sammelte sich in ihrem Magen und rief ihr wieder ins Gedächtnis, dass all dieser Luxus in Wirklichkeit der Lockruf des Teufels war – denn in der Völlerei des sündigen Bades hatte sie den armen jungen Mann auf dem Schiff ganz vergessen, diesen armen, verzweifelten Sünder, der sich ins Meer gestürzt hatte.
    Die Dienstmädchen waren kurz verschwunden. Augenblicklich ließ sie sich auf dem Steinfußboden auf die Knie sinken und warf das herrliche Handtuch von sich, um zur Strafe ihre entblößte Haut der Kälte preiszugeben.
    » Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa «, hauchte sie und hieb sich, von Schmerz und Reue gepackt, mit der Faust vor die Brust. Vor sich sah sie den Ertrunkenen, das feine braune Haar wie einen Fächer über die Wange gebreitet, die jungen, blicklosen Augen halb geschlossen – und welches Schrecknis mochte er vor seinem Sprung erblickt oder im Kopf gehabt haben, dass er so geschrien hatte?
    Michael kam ihr in den Sinn, sein Gesichtsausdruck, als er von seiner armen Frau gesprochen hatte – vielleicht hatte auch der junge braunhaarige Mann jemanden verloren, der ihm nahestand, und konnte das Leben nicht allein bewältigen?
    Sie hätte mit ihm sprechen sollen. Das war die unleugbare, furchtbare Wahrheit. Ganz gleich, ob sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie hätte darauf vertrauen sollen, dass Gott ihr Worte gab, so wie Er es getan hatte, als sie mit Michael gesprochen hatte.
    »Vergib mir, Vater!«, sagte sie flehend. »Bitte – vergib mir, gib mir Kraft!«
    Sie hatte diesen armen jungen Mann im Stich gelassen. War sich selbst untreu geworden. Und Gott, der ihr die schreckliche Gabe des zweiten Gesichts nicht ohne Grund verliehen hatte. Und die Stimmen …
    »Warum habt ihr es mir nicht

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