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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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selten – ging er den ganzen Weg hinunter in die Eingeweide der Erde, nur, um sie sich anzusehen.
    Die frische Fackel brannte mit dem warmen Licht eines natürlichen Feuers, und die weißen Wände nahmen einen rosigen Schimmer an – genau wie das Gemälde am Ende des Korridors, das allerdings anders war: Mariä Verkündigung als grobe, aber deutlich erkennbare Zeichnung. Er wusste nicht, von wem die Gemälde stammten, die hier und dort unerwartet in den Minen auftauchten – die meisten von ihnen stellten religiöse Motive dar, einige alles andere als das –, doch sie waren hilfreich. Ein Eisenring befand sich an der Wand neben dem Bild, und er steckte seine Fackel hinein.
    Wende der Verkündigung den Rücken zu, dann drei Schritte … er stampfte mit dem Fuß auf, lauschte auf das schwache Echo und fand es. Er hatte eine kleine Schaufel in seinem Beutel, und es dauerte nur ein paar Sekunden, das Stück Blech freizulegen, das sein Versteck bedeckte.
    Das Versteck selbst war drei Fuß tief und drei Fuß breit – die perfekte Würfelform bereitete ihm jedes Mal Genugtuung, wenn er sie sah; jeder Alchemist war von Berufs wegen auch Numerologe. Es war halb voll, der Inhalt in Jute oder Segeltuch eingewickelt – nichts, was er gern offen durch die Straßen getragen hätte. Er musste ein wenig suchen und auspacken, um zu finden, was er suchte. Madame Fabienne hatte einen harten, aber gerechten Handel mit ihm geschlossen: zweihundert Écus pro Monat mal vier für das garantierte exklusive Recht auf Madeleines Dienste.
    Vier Monate würden gewiss ausreichen, dachte er und betastete einen rundlichen Gegenstand durch seine Hülle. Eigentlich dachte er sogar, dass eine Nacht ausreichen würde, doch sein Mannesstolz wurde von der Besonnenheit des Wissenschaftlers gezügelt. Und selbst wenn … Es bestand stets das Risiko einer frühen Fehlgeburt; er wollte sich des Kindes sicher sein, bevor er weitere persönliche Experimente mit dem Raum zwischen den Zeiten unternahm. Wenn er wusste, dass etwas von ihm bleiben würde – jemand mit seinen besonderen Fähigkeiten –, nur falls es dieses Mal …
    Er konnte es dort spüren, irgendwo in der drückenden Dunkelheit hinter ihm. Er wusste, dass er es jetzt nicht hören konnte; es war stumm außer an den Tagen der Sonnenwende und der Equinox oder wenn man es tatsächlich betrat … Doch der Klang hallte ihm auch jetzt durch Mark und Bein, und seine Hände erzitterten über den Päckchen.
    Silber glänzte auf und Gold. Er wählte zwei goldene Schnupftabaksdosen, ein filigranes Halsband und – nach kurzem Zögern – ein Silbertablett. Warum ließ der Strudel Metalle unversehrt?, fragte er sich zum tausendsten Mal. Es machte die Passage sogar leichter, wenn man Gold oder Silber bei sich trug – zumindest dachte er das. Auch Mélisande hatte ihm gesagt, dass es so war. Edelsteine dagegen wurden durch die Passage stets zerstört, dafür verliehen sie dem Reisenden die größte Kontrolle und spendeten den größten Schutz.
    Das ergab einen gewissen Sinn; jeder wusste, dass Edelsteine eine bestimmte Vibration aussandten, die mit den Himmelssphären korrespondierte, und die Sphären beeinflussten wiederum die Erde – »wie im Himmel, so auf Erden«. Er hatte immer noch keine Ahnung, wie die Vibrationen den Raum, das Portal … es beeinflussten. Doch der Gedanke weckte den Wunsch, sie zu berühren, um sich zu vergewissern, und er schob die eingehüllten Päckchen aus dem Weg und grub sich in die linke Ecke des mit Holz verkleideten Verstecks vor, wo man auf einen bestimmten Nagelkopf drückte, worauf sich eins der Bretter löste und sich auf Scharnieren fließend zur Seite bewegte. Er griff in die dunkle Vertiefung, die sich dadurch auftat, und fand den kleinen Waschlederbeutel. Seine Beklommenheit verschwand sofort, als er den Beutel berührte.
    Er öffnete ihn und schüttete sich den Inhalt auf die Handfläche. Es glitzerte und blitzte in der dunklen Wölbung seiner Hand. Rot und blau und grün, das gleißende Weiß der Diamanten, die Lavendel- und Violett-Töne der Amethysten und der goldene Schimmer von Topas und Gelbquarz. Genug?
    Gewiss genug, um zurückzureisen. Genug, um einigermaßen akkurat zu steuern, zu wählen, wie weit er ging. Doch genug, um vorwärtszugehen?
    Einen Moment noch wiegte er die glitzernde Handvoll, dann schüttete er sie vorsichtig zurück. Noch nicht. Doch er hatte noch Zeit, um mehr aufzutreiben; er würde mindestens vier Monate nirgendwohin gehen. Nicht,

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