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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zu sein. Doch wenn das stimmte … Was konnte er von ihr wollen?
    Wahrscheinlich möchte er wissen, was du dir dabei gedacht hast, dich auf dem Markt auf ihn zu stürzen und ihm zu sagen, er soll es nicht tun , merkte ihr – bis zu diesem Punkt bedauerlicherweise abwesender – gesunder Menschenverstand an.
    »Oh«, sagte sie laut. Das schien plausibel. Natürlich würde er das wissen wollen. Doch wenn es so war, warum hatte er sie nicht einfach gefragt, statt sie zu verschleppen? Und wohin war er jetzt verschwunden?
    Er hatte irgendetwas vor, und sie dachte lieber nicht darüber nach, was.
    Sie stand wieder auf, erkundete das Zimmer, und dachte natürlich doch nach. Die Sache war ja die, dass sie ihm nicht mehr sagen konnte, als sie bereits gesagt hatte. Würde er ihr das mit den Stimmen glauben? Selbst wenn ja, würde er versuchen, mehr herauszufinden, und es gab nicht mehr herauszufinden. Was dann?
    Warte es lieber nicht ab , riet ihr gesunder Menschenverstand.
    Da sie bereits selbst zu diesem Schluss gelangt war, ersparte sie sich die Mühe einer Antwort. Sie hatte einen schweren Marmormörser mit einem Stößel gefunden; vielleicht ging es damit. Sie wickelte den Mörser in ihre Schürze und trat an das Fenster, das auf die Straße hinausblickte. Sie würde die Scheibe einschlagen und dann schreien, bis jemand sie bemerkte. Sie glaubte, dass man sie selbst hier oben hören würde. Schade, dass es eine ruhige Straße war. Aber …
    Sie erstarrte wie ein Spürhund. Vor einem der Häuser auf der anderen Straße hatte eine Kutsche angehalten, und Michael Murray stieg daraus aus! Er war gerade dabei, sich den Hut aufzusetzen – dieses flammend rote Haar war unverwechselbar.
    »Michael!«, schrie sie aus Leibeskräften. Doch er blickte nicht auf; der Schrei drang natürlich nicht durch das Glas. Sie schwang den eingewickelten Mörser gegen das Fenster, doch er prallte nur scheppernd an den Gitterstäben ab. Sie holte tief Luft und zielte noch einmal genauer; diesmal traf sie eine der Scheiben, die einen Sprung bekam. Ermutigt versuchte sie es noch einmal mit aller Kraft ihrer muskulösen Arme und Schultern und wurde mit einem kurzen Klirren, einem Regen aus Glas und einem schlammduftenden Windhauch belohnt.
    »Michael !« Doch er war verschwunden. Das Gesicht eines Dienstboten erschien kurz in der offenen Tür des Hauses gegenüber, dann schloss sich die Tür, und es verschwand. Durch den Nebel ihrer Frustration erblickte sie die schwarze Seidenschleife, die am Türgriff hing. Wer war denn dort gestorben?
    CHARLES’ FRAU ANTOINETTE befand sich im kleinen Salon, umringt von einer Gruppe Frauen. Alle wandten sich zur Tür, um zu sehen, wer gekommen war, und viele von ihnen hoben automatisch die Taschentücher, um für weitere Tränenausbrüche gewappnet zu sein. Alle sahen Michael blinzelnd an und wandten sich dann Antoinette zu, als erwarteten sie eine Erklärung.
    Antoinettes Augen waren zwar rot, aber trocken. Sie sah aus, als hätte man sie in einem Ofen gedörrt; jede Feuchtigkeit und Farbe war aus ihr herausgesaugt, ihr Gesicht spannte sich papierweiß über den Knochen. Auch sie blickte Michael an, jedoch ohne großes Interesse. Er hatte das Gefühl, dass sie zu sehr unter Schock stand, als dass irgendetwas eine große Rolle hätte spielen können. Er wusste, wie sie sich fühlte.
    »Monsieur Murray«, sagte sie tonlos, als er sich über ihre Hand neigte. »Wie gütig von Euch vorbeizuschauen.«
    »Ich … überbringe Beileidswünsche, Madame, die meinen und die meines Verwandten. Ich wusste noch gar nichts von Eurem … schweren Verlust.« Er stotterte beinahe, während er versuchte, die Situation zu begreifen. Was zum Teufel war Charles zugestoßen?
    Antoinettes Mund verzog sich.
    »Schwerer Verlust«, wiederholte sie. »Ja. Danke.« Dann brach ihre dumpfe Selbstverlorenheit ein wenig auf, und sie sah ihn etwas schärfer an. »Ihr wusstet nichts … Ihr meint, Ihr seid hier, um Charles zu sehen ?«
    »Äh … ja, Madame«, sagte er schluckend. Einige der Frauen schnappten nach Luft, doch Antoinette hatte sich bereits in Bewegung gesetzt.
    »Nun, dann sollt Ihr ihn auch ruhig sehen«, sagte sie und schritt aus dem Zimmer, so dass ihm nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen.
    »Sie haben ihn sauber gemacht«, erklärte sie und öffnete die Tür zum großen Speisezimmer auf der anderen Flurseite. Sie hätte genauso gut von einer versehentlichen Sauerei in der Küche sprechen können.
    Michael hatte den

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