Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
herausfinden würde, was er herausgefunden hatte , und dass er daraufhin in Panik geraten und desertiert war. Zweitens, dass er in einem Wirtshaus oder einer abgelegenen Gasse mit jemandem aneinandergeraten war, umgekommen war und jetzt friedlich unter einer Laubschicht im Wald verweste. Oder drittens – dass man ihn irgendwo hingeschickt hatte, um in aller Stille irgendetwas zu tun.
Grey hegte beträchtliche Zweifel an der ersten Möglichkeit; Stubbs war kein Mensch, der leicht in Panik geriet, und falls er von Greys Ankunft gehört hatte, wäre er sofort selbst zu ihm gekommen und hätte so verhindert, dass Grey im Dorf nach ihm suchte und das fand, was er gefunden hatte. Also verwarf er diese Möglichkeit.
Die zweite verwarf er noch schneller. Wenn Stubbs ums Leben gekommen wäre, ob durch Mord oder durch einen Unfall, hätte es Alarm gegeben. Im Allgemeinen wusste die Armee, wo sich ihre Soldaten befanden, und wenn sie nicht da waren, wo sie hätten sein sollen, schritt man zur Tat. Dasselbe traf ja auch im Fall einer Desertion zu.
Nun denn. Wenn Stubbs fort war und niemand nach ihm suchte, folgte daraus selbstverständlich, dass ihn die Armee selbst an den Ort geschickt hatte, wohin auch immer er gegangen war. Da niemand zu wissen schien, wo er war, war seine Mission wahrscheinlich geheim. Und angesichts von Wolfes gegenwärtiger Position und Obsession bedeutete dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass sich Malcolm Stubbs flussabwärts auf der Suche nach einem Weg befand, wie man Quebec angreifen konnte. Grey seufzte, zufrieden mit dem Ergebnis seiner Überlegungen. Was wiederum bedeutete, dass Stubbs – falls er nicht von den Franzosen erwischt, von feindlichen Indianern skalpiert oder verschleppt oder von einem Bären gefressen worden war – irgendwann zurückkommen würde. Es gab nichts zu tun, als zu warten.
Er lehnte sich an einen Baum und beobachtete ein paar Fischerboote, die in Ufernähe langsam flussabwärts trieben. Der Himmel war bedeckt, und die Luft lag leicht auf seiner Haut, eine angenehme Abwechslung von der Sommerhitze. Bewölkter Himmel war gut zum Angeln; das hatte ihm der Wildhüter seines Vaters erzählt. Er fragte sich allerdings, warum. Wurden die Fische von der Sonne geblendet und suchten daher finstere Verstecke in der Tiefe auf, um dann bei gedämpfterem Licht an die Oberfläche zu steigen?
Er dachte plötzlich an den Zitteraal, der, wie ihm Suddfield erzählt hatte, in den schlammigen Gewässern des Amazonas lebte. Das Tier hatte auffallend kleine Augen, und sein Besitzer war der Meinung gewesen, dass es seine bemerkenswerten elektrischen Fähigkeiten irgendwie benutzen konnte, um seine Beute auszumachen, nicht nur, um sie zu töten.
Er hätte nicht sagen können, was ihn bewog, genau in diesem Moment den Kopf zu heben, doch als er aufblickte, sah er eins der Kanus direkt vor ihm im flachen Wasser treiben. Der Indianer, der das Kanu paddelte, lächelte ihn strahlend an.
»Engländer«, sagte er. »Wollt Ihr mit mir fischen gehen?«
Ein kleiner elektrischer Schlag durchfuhr ihn, und er richtete sich auf. Manoke sah ihn geradeheraus an, und in seiner Erinnerung spürte er die Berührung von Lippen und Zunge, den Geruch nach frischen Kupferspänen. Sein Herz raste – in Begleitung eines Indianers verschwinden, den er kaum kannte? Es konnte leicht eine Falle sein. Am Ende skalpierte man ihn oder Schlimmeres. Doch Zitteraale waren nicht die Einzigen, die sich eines sechsten Sinnes bedienten, dachte er.
»Ja!«, rief er. »Ich warte am Anlegeplatz!«
ZWEI WOCHEN SPÄTER stieg er aus Manokes Kanu auf den Anlegeplatz, dünn, von der Sonne verbrannt, fröhlich und nach wie vor im Besitz seines Haars. Tom Byrd würde außer sich sein, dachte er; er hatte ihm zwar eine Nachricht hinterlassen, doch er hatte natürlich nicht abschätzen können, wann er zurück sein würde. Zweifellos dachte der arme Tom, man hätte ihn gefangen und in die Sklaverei verschleppt oder skalpiert und seine Haare an die Franzosen verkauft.
In Wirklichkeit hatten sie sich langsam flussabwärts treiben lassen, hatten Halt gemacht, um zu fischen, wann immer ihnen danach war, hatten auf Sandbänken und kleinen Inseln kampiert, ihren Fang gegrillt und in rauchduftendem Frieden unter dem Laub von Eiche und Erle zu Abend gegessen. Hin und wieder hatten sie andere Fahrzeuge auf dem Wasser gesehen – nicht nur Kanus, sondern auch viele englische Paketboote und Briggs sowie zwei englische
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