Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
machte sich eine Notiz.
»Ja, Sir.«
Wolfe betrachtete Grey wie ein kleiner Junge, der es gar nicht erwarten kann, ein Geheimnis loszuwerden.
»Versteht Ihr die Highlander, Oberst?«
Grey kniff überrascht die Augen zusammen.
»Sofern das überhaupt möglich ist, Sir«, erwiderte er höflich, und Wolfe brach in wieherndes Gelächter aus.
»Guter Mann.« Der General wandte den Kopf zur Seite und betrachtete Grey weiterhin abschätzend. »Ich habe etwa hundert von ihnen dabei; habe überlegt, wozu sie wohl gut sein könnten. Ich glaube, mir ist etwas eingefallen – ein kleines Abenteuer.«
Der Adjutant lächelte unwillkürlich, dann tilgte er das Lächeln rasch aus seinem Gesicht.
»Ist das so, Sir?«, sagte Grey vorsichtig.
»Nicht ungefährlich«, fuhr Wolfe sorglos fort. »Aber es sind ja nur Highlander … kein großes Ärgernis, sollten sie fallen. Würdet Ihr uns gern begleiten?«
Folge ihm ja nicht bei irgendeiner Torheit . Fabelhaft, Hal, dachte er. Irgendwelche Vorschläge, wie man ein solches Angebot seines Befehlshabers ausschlägt?
»Es wäre mir ein Vergnügen, Sir«, sagte er, und ein beklommener Schauder lief ihm über den Rücken. »Wann?«
»In zwei Wochen – bei Neumond.« Es fehlte nur noch, dass Wolfe vor Begeisterung mit dem Schwanz gewedelt hätte.
»Dürfte ich auch die Natur dieser … äh … Expedition erfahren?«
Wolfe wechselte voll Vorfreude einen Blick mit seinem Adjutanten, dann richtete er die vor Aufregung glänzenden Augen auf Grey.
»Wir werden Quebec erobern, Oberst.«
WOLFE GLAUBTE ALSO, seinen Angriffspunkt gefunden zu haben. Oder vielmehr hatte sein getreuer Kundschafter Malcolm Stubbs diesen für ihn gefunden. Grey kehrte kurz in sein Quartier zurück, steckte sich die Miniatur von Olivia und dem kleinen Cromwell in die Tasche und begab sich auf die Suche nach Stubbs.
Er machte sich nicht die Mühe, sich zu überlegen, was er zu Malcolm sagen sollte. Gut, dachte er, dass er Stubbs nicht gleich nach seiner Entdeckung der indianischen Geliebten und ihres Kindes gefunden hatte; es wäre gut möglich gewesen, dass er Stubbs einfach ohne ein Wort der Erklärung zusammengeschlagen hätte. Doch seitdem war einige Zeit verstrichen, und sein Blut war jetzt kühler. Er war gelassen.
Zumindest dachte er das, bis er eines der besseren Wirtshäuser betrat – Malcolm hatte einen gehobenen Weingeschmack – und seinen angeheirateten Vetter ganz entspannt in geselliger Runde mit seinen Freunden an einem Tisch antraf. Stubbs’ Name passte zu seiner Gestalt, denn er maß in beiden Dimensionen ungefähr einssechzig, ein rothaariger Mann, der auch im Gesicht rot anlief, wenn er sich ordentlich amüsierte oder ordentlich betrunken war.
Im Moment schien beides zuzutreffen, denn er lachte wild über etwas, das einer seiner Kameraden gesagt hatte und winkte mit dem leeren Glas nach der Kellnerin. Er wandte sich nach hinten, erblickte Grey, der durch den Schankraum kam, und strahlte auf. Grey sah, dass er reichlich Zeit im Freien verbracht hatte; Stubbs war fast genauso sonnenverbrannt wie er selbst.
»Grey!«, rief er. »Was sehen meine trüben Augen! Was zum Teufel führt dich in die Wildnis?« Dann bemerkte er Greys Miene, und seine Herzlichkeit ließ ein wenig nach, während sich zwischen seinen Augenbrauen eine verwunderte Falte bildete.
Die Falte brachte es nicht bis zum ausgewachsenen Stirnrunzeln. Grey warf sich über den Tisch, so dass die Gläser flogen, und packte Stubbs beim Hemd.
»Du kommst mit mir, du verdammtes Schwein«, flüsterte er, das Gesicht dicht vor dem des jüngeren Mannes, »oder ich bringe dich gleich hier um, das schwöre ich.«
Dann ließ er los und richtete sich auf. Das Blut hämmerte ihm in den Schläfen.
Stubbs rieb sich die Brust, entrüstet, erschrocken – und verängstigt. Grey konnte es seinen großen blauen Augen ansehen. Langsam erhob sich Stubbs und wies seine Kameraden mit einer Geste an zu bleiben.
»Keine Sorge, Jungs«, sagte er, tapfer um Beiläufigkeit bemüht. »Mein Vetter – dringender Notfall in der Familie, wie?« Grey sah, wie sich zwei der Männer vielsagende Blicke zuwarfen und ihn dann argwöhnisch ansahen. Oh ja, sie wussten Bescheid.
Steif wies er Stubbs an vorauszugehen, und sie durchschritten die Tür unter dem Deckmäntelchen der Würde. Draußen jedoch packte er Stubbs am Arm und zerrte ihn um die Ecke in eine kleine Gasse. Er stieß Stubbs so fest von sich, dass dieser das Gleichgewicht verlor und gegen die
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