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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Kriegsschiffe, die mit geblähten Segeln behäbig flussaufwärts kreuzten, und in diesem Moment waren ihm die fernen Rufe der Seemänner so fremd erschienen wie die Zungen der Irokesen.
    In der Spätsommerdämmerung des ersten Tages hatte sich Manoke nach dem Essen die Finger abgewischt, war aufgestanden, hatte sich beiläufig den Lendenschurz losgebunden und ihn fallen lassen. Dann hatte er grinsend gewartet, während sich Grey aus Hemd und Hose kämpfte.
    Sie waren vor dem Essen im Fluss geschwommen, um sich zu erfrischen; der Indianer war sauber, seine Haut nicht mehr eingefettet. Und doch schien er nach Wild zu schmecken, nach dem kräftigen, ungezähmten Aroma der Hirsche. Grey hatte sich gefragt, ob es wohl an der Rasse des Mannes lag oder nur an seiner Ernährung?
    »Wonach schmecke ich?«, hatte er aus Neugier gefragt.
    Manoke, der ganz in sein Tun vertieft war, hatte etwas gesagt, das »Schwanz« hätte sein können, das aber genauso gut ein Ausdruck leisen Ekels gewesen sein konnte, daher beschloss Grey, diese Frage nicht weiterzuverfolgen. Außerdem, falls er tatsächlich nach Rinderbraten mit Brot oder nach Yorkshire Pudding schmeckte, würde der Indianer das erkennen? Und wollte er es wirklich wissen, wenn es so war? Nein, beschloss er und genoss den Rest des Abends ohne weitere Konversation.
    Er kratzte sich im Kreuz, wo sich seine Hose an der Haut rieb, die wund war von den Mückenstichen und sich über dem verblassenden Sonnenbrand langsam ablöste. Er hatte versucht, sich wie die Eingeborenen zu kleiden, da ihm das praktisch erschien, hatte sich jedoch eines Nachmittags den Hintern verbrannt, weil er zu lange in der Sonne gelegen hatte, und war dann wieder auf Hosen umgestiegen, weil er keine Scherze über die weiße Farbe seines Allerwertesten mehr hören wollte.
    In solcherart angenehme, aber zusammenhanglose Gedanken vertieft, hatte er den Ort schon halb durchquert, bevor ihm auffiel, dass jetzt mehr Soldaten zu sehen waren als zuvor. Trommeln rasselten die ansteigenden Straßen auf und ab, um die Männer aus ihren Quartieren zu rufen, und er konnte sich dem Rhythmus des militärischen Tages nicht entziehen. Seine Schritte passten sich automatisch dem Takt der Trommeln an, er richtete sich auf und spürte plötzlich den Arm der Armee, der ihn packte und ihn aus seiner sonnenverbrannten Glückseligkeit rüttelte.
    Unwillkürlich blickte er den Hügel hinauf und sah die Flaggen, die über dem großen Wirtshaus flatterten, das als Feldhauptquartier diente. Wolfe war zurückgekehrt.
    GREY BEGAB SICH IN SEIN QUARTIER, versicherte Tom, dass es ihm gut ging, ließ sich mit leicht schmerzhafter Gewalt das Haar entwirren, kämmen, parfümieren und fest zu einem formellen Zopf zusammenbinden und begab sich dann in seiner sauberen Uniform, die ihn auf der sonnenverbrannten Haut scheuerte, zum General, um sich vorzustellen, wie es die Höflichkeit gebot. Er kannte James Wolfe lediglich durch Beschreibungen; Wolfe war in seinem Alter, hatte in Culloden gekämpft, war unter Cumberland während des Highlandfeldzugs ein rangniederer Offizier gewesen – doch persönlich waren sie sich nie begegnet. Allerdings hatte er schon viel von ihm gehört.
    »Grey, ja? Pardloes Bruder, wie?« Wolfe hob seine lange Nase in Greys Richtung, als wollte er an ihm schnüffeln wie ein Hund, der den Hintern eines anderen inspiziert.
    Grey ging davon aus, dass man ein ähnliches Verhalten nicht auch von ihm verlangte, und verneigte sich stattdessen höflich.
    »Mein Bruder lässt Euch grüßen, Sir.«
    Allerdings waren die Grüße seines Bruders alles andere als freundlich gewesen.
    »Melodramatischer Esel«, waren Hals Worte gewesen, als er ihn vor seiner Abreise hastig ins Bild gesetzt hatte. »Angeber, schlechtes Urteilsvermögen, furchtbarer Stratege. Aber er hat unfassbares Glück, das muss man ihm lassen. Folge ihm ja nicht bei irgendeiner Torheit.«
    Wolfe nickte gutmütig.
    »Und Ihr seid hier als Zeuge für, wer war das noch – Hauptmann Carruthers?«
    »Ja, Sir. Gibt es schon ein Datum für das Kriegsgericht?«
    »Weiß nicht. Gibt es eins?«, fragte Wolfe seinen Adjutanten, eine hochgewachsene, spindeldürre Kreatur mit Knopfaugen.
    »Nein, Sir. Doch jetzt, da Seine Lordschaft hier ist, kann es seinen Gang gehen. Ich sage es Brigadier Lethbridge-Steward; er wird den Vorsitz übernehmen.«
    Wolfe winkte ab.
    »Nein, wartet noch ein wenig. Der Brigadier wird anderes im Kopf haben. Hinterher …«
    Der Adjutant nickte und

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