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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Zuschauer beim Erscheinen des Messers. Er verkniff es sich, sich umzudrehen und sich vor ihnen zu verneigen.
    Er hörte keine Schritte von innen, doch plötzlich öffnete sich die Tür und gab den Blick auf eine junge Frau frei, deren Gesicht bei seinem Anblick freudig aufleuchtete.
    Er blinzelte verblüfft, und in dieser einen Sekunde verschwand die Freude, und die junge Frau stützte sich mit der einen Hand an den Türpfosten und schlug sich mit der anderen vor die Brust.
    » Batinse !«, keuchte sie sichtlich verängstigt. »Qu’est-ce que s’passe?«
    » Rien «, erwiderte er nicht minder erschrocken. »Ne t’inquiète pas, madame. Est-ce que Capitaine Stubbs habite ici?« Regt Euch nicht auf, Madame. Wohnt Hauptmann Stubbs hier?
    Sie hatte die Augen weit aufgerissen, und jetzt verdrehten sie sich. Er packte sie am Arm, damit sie nicht vor seinen Füßen in Ohnmacht fiel. Das größte der Straßenkinder trat hastig vor und drückte die Tür ganz auf, woraufhin Grey der Frau den Arm um die Taille legte, um sie halb ins Haus zu ziehen, halb zu tragen.
    Die restlichen Kinder, die dies als Einladung betrachteten, strömten unter mitfühlend klingendem Gemurmel hinter ihm in die Hütte, während er die junge Frau zum Bett schleppte und sie dort hinlegte. Ein kleines Mädchen, das kaum mehr als eine Unterhose trug, die es sich mit einer Schnur um die schmächtige Taille gebunden hatte, drängte sich an seine Seite und sagte etwas zu der jungen Frau. Obwohl das Mädchen keine Antwort bekam, benahm es sich so, als hätte es eine bekommen, und rannte zur Tür hinaus.
    Grey zögerte, nicht sicher, was er tun sollte. Die Frau war zwar blass, doch sie atmete, und ihre Augenlider zuckten.
    »Voulez-vous un peu de l’eau?«, fragte er und wandte sich ab, um sich nach Wasser umzusehen. Er entdeckte einen Eimer Wasser neben dem Kamin, wurde aber durch einen Gegenstand abgelenkt, der daneben angelehnt stand. Ein Wiegebord, auf dem ein eingewickeltes Baby festgebunden war, das mit großen, neugierigen Augen in seine Richtung schaute.
    Er wusste es natürlich schon, doch er kniete sich vor dem Baby hin und wackelte vorsichtig mit dem Zeigefinger. Die Augen des Babys waren groß und schwarz wie die seiner Mutter, seine Haut ein wenig heller als die ihre. Doch sein Haar war nicht glatt, dick und schwarz. Es war zimtfarben, und der Schädel des Kindes war in einen Heiligenschein der gleichen Locken gehüllt, die Malcolm Stubbs bis fast auf die Kopfhaut geschoren trug und unter seiner Perücke versteckte.
    »Was ist mit le Capitaine ?«, fragte eine fordernde Stimme hinter ihm. Er fuhr auf dem Absatz herum, sah eine ziemlich große Frau über sich aufragen, erhob sich und verneigte sich.
    »Nicht das Geringste, Madam«, versicherte er ihr. Zumindest noch nicht . »Ich war nur auf der Suche nach Hauptmann Stubbs, um ihm eine Nachricht zu überbringen.«
    »Oh.« Die Frau – eine Französin, aber eindeutig die Mutter oder Tante der jüngeren Frau – legte ihre finstere Miene ab und schien zu schrumpfen, bis sie eine weniger bedrohliche Gestalt angenommen hatte. »Nun denn. D’ur- gence , diese Nachricht?« Sie betrachtete ihn; es war eindeutig, dass kein anderer britischer Offizier die Angewohnheit hatte, Stubbs daheim zu besuchen. Wahrscheinlich war Stubbs dort offiziell einquartiert, wo er auch seinen Regimentsgeschäften nachging. Kein Wunder, dass sie gedacht hatten, er wäre hier, um zu sagen, dass Stubbs tot oder verwundet war. Noch nicht , fügte er von Neuem grimmig an sich selbst gewandt hinzu.
    »Nein«, sagte er und spürte das Gewicht der Miniatur in seiner Tasche. »Wichtig, aber nicht dringend.« Dann ging er. Keins der Kinder folgte ihm.
    NORMALERWEISE WAR ES NICHT SCHWIERIG, den Aufenthaltsort eines bestimmten Soldaten herauszufinden, doch Malcolm Stubbs schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Im Verlauf der nächsten Woche durchkämmte Grey das Hauptquartier, das Militärlager und das Dorf, doch es war keine Spur von seinem elenden angeheirateten Vetter zu finden. Seltsamer noch, niemand schien den Hauptmann zu vermissen. Seine unmittelbaren Kameraden zuckten nur verwirrt mit den Achseln, und sein Vorgesetzter befand sich offenbar flussaufwärts auf einer Inspektionsreise. Frustriert zog sich Grey ans Flussufer zurück, um nachzudenken.
    Es drängten sich zwei logische Möglichkeiten auf – nein, drei. Erstens, dass Stubbs von Greys Ankunft gehört hatte und davon ausgegangen war, dass Grey genau das

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