Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
lassen. Der Gouverneur war es nicht gewohnt, sich mit einem Nein abspeisen zu lassen – und hatte es auch nicht getan. Die junge Frau war am nächsten Tag verschwunden, davongelaufen, und man hatte sie bis heute nicht wieder eingefangen. Doch einen Tag darauf war ein Schwarzer mit einem Turban und einem Lendenschurz zum King’s House gekommen und hatte um eine Audienz gebeten.
»Er wurde natürlich nicht vorgelassen. Aber er ist genauso wenig gegangen.« Dawes zuckte mit den Achseln. »Hat sich einfach auf die untere Stufe der Eingangstreppe gehockt und gewartet.«
Als Warren schließlich aus dem Haus gekommen war, hatte sich der Mann erhoben, war auf ihn zugegangen und hatte dem Gouverneur in förmlichem Ton mitgeteilt, dass von nun an ein Fluch auf ihm liege.
»Ein Fluch?«, fragte Grey neugierig. »Was denn für ein Fluch?«
»Nun, hier stößt mein Wissen an seine Grenzen, Sir«, erwiderte Dawes. Er hatte jetzt sein Selbstvertrauen zurückerlangt und setzte sich ein wenig aufrechter hin. »Denn nachdem er diese Tatsache verkündet hatte, hat er in einer fremden Sprache weitergeredet – ich glaube zwar, dass ein Teil davon Spanisch war, aber nicht alles. Ich vermute, dass er den Fluch sozusagen an den Mann gebracht hat? Das weiß ich aber nicht so genau.«
Inzwischen hatten Tom und Hauptmann Cherry ihre unangenehme Aufgabe vollendet, und der Gouverneur ruhte in einem harmlos aussehenden Teppichkokon. »Ich bedaure, meine Herren, aber es gibt kein Personal, das uns behilflich sein könnte. Wir bringen ihn hinunter in den Gartenschuppen. Kommt, Mr. Dawes; Ihr könnt uns tragen helfen. Und uns unterwegs erzählen, was die Schlangen damit zu tun haben.«
Keuchend, ächzend und unter gelegentlichen Beinahe-Ausrutschern bugsierten sie das sperrige Bündel die Treppe hinunter. Mr. Dawes, der sich als wenig hilfreich erwies, wurde von Hauptmann Cherry gedrängt, mit seiner Erzählung fortzufahren.
»Nun, ich glaubte, das Wort ›Schlange‹ in der Tirade des Mannes gehört zu haben«, sagte er. »Vivora. Das ist Spanisch für ›Viper‹. Und dann … begannen die Schlangen aufzutauchen.«
Kleine Schlangen, große Schlangen. Eine Schlange wurde im Bad des Gouverneurs gefunden. Eine andere tauchte unter dem Esszimmertisch auf – zum Entsetzen einer Kaufmannsgattin, die mit dem Gouverneur speiste und hysterisch durch das ganze Speisezimmer tobte, bevor sie auf dem Tisch in Ohnmacht fiel. Mr. Dawes schien irgendetwas daran komisch zu finden, und Grey, der jetzt heftig schwitzte, warf ihm einen finsteren Blick zu, der ihn ernster fortfahren ließ.
»Jeden Tag neue und mehr Schlangen, so schien es uns, und immer an anderen Stellen. Wir haben das Haus wiederholt durchsuchen lassen. Aber niemand konnte – oder wollte – herausfinden, woher die Reptilien kamen. Und es wurde zwar niemand gebissen, doch es herrschte nervöse Anspannung, weil man nie wusste, ob man beim Zurückschlagen der Bettdecke etwas vorfinden würde, das sich in der Bettwäsche wand.«
»Aha. Uff!« Sie blieben stehen und legten ihre Last ab. Grey wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Und wie seid Ihr darauf gekommen, Mr. Dawes, dass es einen Zusammenhang zwischen dieser Schlangenplage und Mr. Warrens misshandelter Sklavin gibt?«
Dawes zog eine überraschte Miene und schob sich die Brille auf der verschwitzten Nase hoch.
»Oh, habe ich das nicht gesagt? Der Mann – später wurde mir gesagt, er sei ein Obeah-Mann, was auch immer das sein mag – hat inmitten seiner Denunziation ihren Namen gesagt. Sie hieß Azeel.«
»Verstehe. Also – alle bereit? Eins, zwei, drei – hoch!«
Dawes gab sich gar nicht mehr den Anschein zu helfen, doch er lief auf dem Gartenweg voraus, um ihnen die Schuppentür zu öffnen. Er hatte jetzt jede Zurückhaltung aufgegeben und schien geradezu darauf zu drängen, ihnen alles mitzuteilen, was er wusste.
»Er hat mich zwar nicht direkt darauf angesprochen, aber ich glaube, er hatte angefangen, von Schlangen zu träumen – und von dem Mädchen.«
»Woher – wisst Ihr das«, grunzte Grey. »Das ist mein Fuß, Major!«
»Ich habe gehört, wie er … äh … Selbstgespräche führte. Er hatte angefangen, heftig zu trinken. Unter den Umständen verständlich, findet Ihr nicht?«
Grey wünschte, er könnte auch heftig trinken, bekam aber nicht genug Luft, um diesen Wunsch auszusprechen.
Plötzlich schrie Tom, der vorausgegangen war, um im Schuppen Platz zu machen, erschrocken auf, und die drei Offiziere
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