Zeit der Träume
die Halbwelt gebracht. Der Zauber hielt sie in ewigem Schlaf, einem lebenden Tod, gefangen. Schlafend wurden sie wieder durch den Vorhang gebracht, ihre sterblichen Seelen in einem Kasten mit drei Schlössern verschlossen. Nicht einmal die Macht ihres Vaters konnte die Schlösser aufbrechen. Und bis sich die Schlüssel einer nach dem anderen drehen, sind die Töchter in einem Zauberschlaf gefangen, und ihre Seelen weinen in einem Gefängnis aus Glas.«
»Wo sind die Schlüssel?«, fragte Malory. »Und warum kann der Kasten nicht durch einen Zauberspruch geöffnet werden, schließlich wurde er ja auch durch einen verschlossen?«
»Wo sie sind, ist ein Rätsel. Es ist mit vielen Zaubersprüchen versucht worden, den Kasten zu öffnen, aber sie alle haben versagt. Die Seelen sind sterblich, und nur sterbliche Hände können die Schlüssel drehen.«
»Auf meiner Einladung stand, ich sei der Schlüssel.« Malory blickte Dana und Zoe an, und die beiden Frauen nickten bestätigend. »Was haben wir mit einer mythologischen Legende zu tun?«
»Ich muss Ihnen etwas zeigen.« Pitte stand auf und wies auf den Türbogen. »Ich denke, es interessiert Sie.«
»Das Unwetter wird schlimmer.« Zoe warf einen misstrauischen Blick auf das Fenster. »Ich muss langsam nach Hause fahren.«
»Bitte, machen Sie mir die Freude.«
»Wir fahren alle zusammen.« Malory drückte Zoes Arm beruhigend. »Lass uns nur zuerst einmal sehen, was er uns zeigen will. Ich hoffe, Sie laden mich noch einmal ein«, fuhr sie fort, während sie zu Pitte und Rowena trat, die bereits an der Tür standen. »Ich würde sehr gerne mehr von Ihrer Kunstsammlung sehen und mich gerne revanchieren, indem ich Ihnen die Galerie zeige.«
»Sie sind uns jederzeit willkommen.« Pitte ergriff ihren Arm und führte sie durch die große Halle. »Es wäre ein Vergnügen für Rowena und mich, mit jemandem über unsere Sammlung zu sprechen, der sie versteht und schätzt.«
Er ging auf einen weiteren Türbogen zu. »Ich hoffe, dass Sie auch dieses Stück unserer Sammlung verstehen und schätzen.«
Über einem Kamin, in dem ein Feuer prasselte, hing ein Gemälde, das beinahe bis an die Decke reichte.
Die Farben waren so lebhaft, der Stil so kühn und stark, dass Malorys kunstliebendes Herz einen Satz machte. Es war ein Porträt von drei wunderschönen jungen Frauen in fließenden Gewändern, eins saphirblau, eins rubinrot und eins smaragdgrün. Die Frau in Blau, der goldene Locken bis zur Taille fielen, saß auf einer halbrunden Bank an einem Teich. Sie hielt eine kleine, goldene Harfe in der Hand.
Auf den silbernen Fliesen zu ihren Füßen saß das Mädchen in Rot, mit Docke und Spindel im Schoß. Eine Hand hatte sie auf das Knie ihrer Schwester - und Schwestern waren es bestimmt - gelegt. Neben ihnen stand das Mädchen in dem grünen Gewand, einen dicken schwarzen Welpen in der Armbeuge und ein kurzes Silberschwert an der Hüfte. Um sie herum wucherten üppig Blumen.
Glänzende Früchte hingen an den Ästen der Bäume, und am strahlend blauen Himmel tummelten sich Vögel und Feen.
Fasziniert trat Malory auf das Bild zu. Ihr Herz machte noch einen Satz. Das Mädchen in Blau hatte ihr Gesicht.
Sie ist jünger, dachte sie und verharrte fasziniert. Und viel schöner als ich. Die Haut strahlte, die Augen waren tiefer blau und die Haare üppiger und lockiger. Aber sie sah ihr auffallend ähnlich, genau wie die beiden anderen Mädchen auf dem Gemälde den anderen Frauen ähnlich sahen.
»Eine großartige Arbeit. Ein Meisterwerk«, sagte Malory und wunderte sich darüber, wie ruhig ihre Stimme klang. In ihren Ohren rauschte es.
»Sie sehen aus wie wir.« Staunend trat Zoe neben Malory. »Wie kann das sein?«
»Gute Frage.« Dana klang misstrauisch. »Wieso haben wir drei als Modell gedient, für ein Gemälde, das doch offensichtlich die drei Schwestern aus der Geschichte darstellt?«
»Es wurde gemalt, bevor Sie auf der Welt waren. Bevor Ihre Eltern, Ihre Großeltern und die, die sie gezeugt haben, geboren waren.« Rowena nickte. »Das Alter des Gemäldes kann man durch Tests prüfen. Das ist doch richtig, Malory, oder?«
»Ja. Man kann das ungefähre Alter nachweisen, aber Sie haben Danas Frage nicht beantwortet.«
Rowena lächelte zustimmend und amüsiert zugleich. »Nein, ich habe sie nicht beantwortet. Was sehen Sie sonst noch auf dem Bild?«
Malory griff in ihre Tasche und holte eine schwarz gerahmte Brille mit viereckigen Gläsern hervor. Sie setzte sie auf und
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