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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Stunden gebe ich dir eine Antwort.
    – Verheimlichst du etwas? Etwas, das ich nicht wissen darf?
    – Ich versuche bloß, dem augenblicklichen gedanklichen Stillstand mit ein wenig gesunder Aktion beizukommen, lächelte Lupo, deshalb treffe ich folgende Anordnungen: Erstens. Was das Krankenhaus anbelangt, bin ich ausschließlich mit Doktor Fera in Kontakt. Ich möchte ständig über den Zustand des Jungen informiert werden, wenn er aufwacht, wenn er sich verschlechtert, alles …
    – Warum ausgerechnet Fera?
    – Ich vertraue ihm. Zweitens. Schick jemanden ins Argentovivo, um die Jungs zu verhören …
    – Es gibt doch die Verhörprotokolle der Kriminalpolizei …
    – Dann fügen wir unsere hinzu, nicht wahr? Drittens. Mir ist eingefallen, dass das Verbrechen vielleicht eine sichtbare Spur hinterlassen hat …
    – Entschuldige, wie meinst du das?
    – Es hat Augenblicke der Panik gegeben, und mittlerweile flüchten die Leute nicht mehr, sondern machen Fotos mit dem Handy.
    – Und was sollen wir tun?
    – Ruf unsere Kontaktpersonen bei den verschiedenen TV-Sendern an. Wir machen einen Aufruf, irgendwas finden wir, du wirst sehen.
    Daria starrte ihn perplex an.
    – Wir machen also eine unabhängige Untersuchung?
    – Das wäre nicht das erste Mal.
    – Wie glaubst du, wird das in der Staatsanwaltschaft … und in den anderen Ressorts … aufgenommen?
    – Wir sind nicht verpflichtet, sie zu informieren. Nicht in dieser Phase. Ich werde einen Zwischenbericht vorbereiten. Ich werde etwas Schaum schlagen. Du hast ja immer behauptet, darin sei ich besonders gut.
    – Ich habe nie …
    – Ist schon gut, war nur ein Witz, unterbrach sie Lupo, und blätterte in einem kleinen Moleskine-Kalender mit dunklem Einband.
    – Schick mir bitte Ronzani und Picone, wenn du hinausgehst. Ach, noch was, das hätte ich fast vergessen … ein junger Kollege war Dantini besonders verbunden, sie haben eng zusammengearbeitet. Er hat mir davon erzählt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Er war ebenfalls bei der Zerschlagung der Pilić-Bande dabei. Vizekommissar Marco Ferri. Ich möchte mich mit ihm unterhalten, kommst du mit?
    Daria steckte den Hieb mit professioneller Gelassenheit ein. Lupo sah nur ein angespanntes Lächeln und hörte ein leichtes Zittern in ihrer Stimme.
    – Lieber nicht, sagte sie trocken.
    – Dürfte ich den Grund erfahren?
    – Wir waren einmal zusammen.
    Lupo blieb unbeweglich. Daria ballte die Hände zu Fäusten.
    – Das hast du doch gewusst, oder?
    – Ich hatte es geahnt. Es steht in seiner Personalakte. Empfehlungsschreiben des Vizepräfekten Marconi Daria an den Chef der Kriminalpolizei Venedig … „der junge Ferri verfügt über hervorragende Eigenschaften“ … Es ist nicht deine Art, dich für irgendeinen Bullen einzusetzen, außer du …
    – … hast mit ihm gevögelt.
    – Warum musst du immer so direkt und aggressiv sein, Daria?
    – Und warum musst du immer so undeutlich und arrogant sein, Nicola?

3.
    Auch wenn sie nie ein Liebespaar gewesen waren, stritten sie manchmal wie ein altes Ehepaar. Um die Wahrheit zu sagen, glaubte Lupo manchmal, dass ihm Daria ein unausgesprochenes erotisches Angebot machte. Nichts Ausdrückliches, sondern er verspürte vielmehr den Duft der Verführung, ein flüchtiges Sich-Anbieten und Sich-sofort-wieder-Zurückziehen, eine Mischung aus Staunen und Verachtung angesichts seines konstanten
fin de non-recevoir
. Frau Vizepräfekt schien ein glücklicher Single zu sein. Aber sogar Lupo hatte bemerkt, dass sie ein leidenschaftlicher Typ war und dass im Bullenmilieu, wo alle alles voneinander wussten, immer wieder über sie getratscht wurde. Er hatte zwar viele Talente, aber von Gefühlen verstand er nichts. Worauf er nicht besonders stolz war. Nach dem kurzen Gespräch mit Vizekommissar Ferri war ihm jedenfalls eines klar: Es gibt eine geheimnisvolle Alchemie, die Männer und Frauen verbindet. Etwas, das auf Molekülen und Gerüchen basiert und das gewiss wissenschaftlich zu belegen, jedoch verdammt schwer zu isolieren ist. Und erst zu beschreiben! Hatte sich Daria, die zwanzig Jahre mehr an Erfahrung und Leben auf dem Buckel hatte als Marco, von der animalischen Energie verführen lassen, die der junge Mann im Übermaß zu besitzen schien? Oder macht die männliche Gewaltbereitschaft sogar engelsgleiche Frauengestalten beim Liebesakt zu genusssüchtigen Mänaden? Aber warum hatte er von alldem keine Ahnung? Auf jeden Fall war Ferri ein

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