Zeit des Aufbruchs
jüngsten Schachzug zu verbergen. Sie wartete bis zum Aufbruch des Kuriers, ehe sie Arakasi aussandte, um Nachforschungen anzustellen.
Nach dem Essen rief sie ihre Vertrauten zu einer Unterredung zusammen. Sie war die stickige Stille ihres Arbeitszimmers mit den geschlossenen Läden und Vorhängen leid und hielt es für angenehmer, das Treffen im Garten unter Laternenlicht abzuhalten. Der Garten grenzte direkt an ihre Gemächer und besaß nur einen Eingang, der gut bewacht war.
Als Mara auf den Kissen unter den Bäumen neben dem Springbrunnen saß, bedauerte sie die ständige Sorge um ihre Sicherheit. Einen kurzen neidischen Augenblick rief sie sich Tasaios Besitz ins Gedächtnis, ein wunderschönes Gebäude auf weitläufigem Gelände, geschützt durch steile Berge und ein natürliches Tal mit einem See und einem schmalen Fluß. Im Gegensatz zu den anderen Edlen, die auf dem flachen Land wohnten, mußte der Lord der Minwanabi nicht sorgsam große Teile seines Besitzes bewachen lassen. Er benötigte nur einige Krieger auf Wachtürmen auf den Gipfeln sowie an Schlüsselpositionen entlang der Grenzen seines Besitzes. Wo die Acoma ganze fünf Kompanien von jeweils hundert Kriegern abstellten, um die Ländereien so gut wie möglich schützen zu können – ein Ziel, das auch nach zehn Jahren nicht erreicht war, obwohl sie sich sorgfältig um den Aufbau der Mittel kümmerte –, genügten den Minwanabi weniger als zweihundert Soldaten zur Bewachung eines doppelt so großen Gebiets. Die so gesparten Geldmittel konnte Tasaio gezielt einsetzen, um politischen Schaden anzurichten – Geld, das Mara trotz ihres rasch zunehmenden Reichtums fehlte.
Mara betrachtete den Kreis ihrer Berater, der inzwischen größer war als zuvor und in dem jüngere Gesichter hinzugekommen waren, die die älteren nun noch älter wirken ließen. Nacoya schien mit jedem Monat faltiger und gebeugter zu werden. Auch Keyoke konnte nicht mehr so aufrecht sitzen, obwohl er peinlich genau auf sein Äußeres achtete. Er kreuzte sein gesundes Bein über den Stumpf und verbarg die Krücke sorgsam vor den Blicken der anderen. Mara konnte sich niemals daran gewöhnen, ihn in Hausgewändern statt in einer Rüstung zu sehen.
Bei den offiziellen Beratungen mit ihren Vertrauten waren keine Bediensteten zugegen, doch Kevin als Leibsklave saß neben oder hinter ihr und spielte verstohlen mit ihren offen fallenden Haaren. Jican war da, die Hände vom Schreiben mit Kreidestaub bedeckt, und Saric, jung, eifrig und mit einem schlauen Blick, während sein Cousin Lujan Unbekümmertheit vortäuschte. Ihr Supai war noch nicht von den Docks in Sulan-Qu zurückgekehrt, wo er einen Kontaktmann mit Informationen aus Pesh hatte treffen wollen. Da seine Nachricht von großer Wichtigkeit sein würde, ließ Mara zunächst einmal in aller Ruhe ihre anderen Vertrauten sprechen.
Nacoya eröffnete die Sitzung. »Lady Mara, Ihr wißt nichts von diesem Emporkömmling, Lord Xaltepo. Er entstammt keiner alten Familie und teilt keine Eurer politischen Interessen. Ich fürchte ernsthaft, daß er der verlängerte Arm eines Eurer Feinde ist.«
Die Erste Beraterin ließ in der letzten Zeit immer stärker eine übergroße Vorsicht in ihre Ansichten einfließen. Mara war nicht sicher, ob dies mit ihrem plötzlichen Aufstieg zur Clanlady zu tun hatte oder ob sich im Alter ihre Furcht vor Tasaio verstärkte. Immer häufiger war es Saric, an den Mara sich wandte, um eine ausgewogenere Meinung über Risiken und Ziele zu erhalten.
Gerade eben dreißig Jahre alt, besaß der ehemalige Soldat eine rasche Auffassungsgabe und einen scharfen Verstand; darüber hinaus bereicherte er seine Ratschläge mit einer gewissen Portion Sarkasmus. Seine offensichtliche Verspieltheit schien einem tiefer liegenden Zynismus zu widersprechen, doch seine Beobachtungen waren immer scharfsinnig. »Was Nacoya gesagt hat, klingt vernünftig«, meinte er jetzt. Der offene Blick seiner Augen ruhte auf ihr, und mit den Fingern fuhr er über ein poliertes Armband an seinem Handgelenk, als würde er die Kante einer Klinge prüfen. Er zuckte mit den Schultern. »Doch ich würde hinzufügen, daß wir zu wenig über den Lord der Hanqu wissen. Weisen wir sein Anerbieten zurück und er handelt in gutem Willen, haben wir ihn beleidigt. Selbst wenn wir uns einen Affront gegen ein solch kleines Haus leisten können, wollen wir doch ganz sicher nicht, daß die Acoma in den Ruf geraten, unnahbar zu sein. Wir können seinen Wunsch nach
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