Zeit des Aufbruchs
Vorraum.«
»Schick ihn herein.« Mara hatte seit der Morgendämmerung zwei Stunden Ruhe gehabt und ungestört nachdenken können, und so war sie jetzt, da die unvermeidliche Störung eingetreten war, gespannt auf die Neuigkeiten.
Der Kurier war noch vom Staub der Straße bedeckt und in eine Tunika aus gebleichtem Stoff gekleidet, die an den Ärmeln mit dem Abzeichen der Gilde von Pesh zusammengebunden war. Da Mara keinerlei Verbindungen zu irgendeiner Familie aus dieser Stadt hatte, war ihr Interesse geweckt.
»Ihr könnt Euch setzen«, gestattete sie, als der Bote seine Verbeugung vollendet hatte. Er trug keine Dokumente bei sich, würde ihr also eine mündliche Nachricht überbringen, für die er mit seiner Schweigepflicht unter Einsatz seines Lebens einstand. Mara winkte nach einem Diener, um Jomach-Saft kommen zu lassen, falls die Kehle des Mannes trocken von der Reise war.
Er nickte leicht, als die Erfrischung kam, und nahm dankbar einen tiefen Schluck. »Ich überbringe Euch Grüße von Lord Xaltepo von den Hanqu.« Der Bote hielt kurz inne, um einen weiteren Schluck zu trinken; er gestattete der Lady dadurch eine kleine Pause, in der sie sich in Erinnerung rufen konnte, was immer sie von dem Haus dieses Lords wußte, von seinem Clan und den politischen Verbindungen.
Mara benötigte die Pause tatsächlich, denn das Haus Hanqu war klein und hatte niemals zuvor mit den Acoma zu tun gehabt. Es zählte zu den Nimboni, einem winzigen Clan, der sich regelmäßig mit anderen, größeren verbünden mußte, auch wenn Mara im Augenblick nicht einfiel, welche dies gerade waren. Arakasi würde es wissen. Er würde auch herausfinden, ob Xaltepo seine Mitgliedschaft in der Partei der Gelben Blume seit dem Niedergang der Kriegsallianz erneuert hatte. Zwischen dieser Partei und den Minwanabi gab es keine direkten Verbindungen, doch hatten sie gelegentlich gleiche Interessen unterstützt, bevor Almecho das Weiß und Gold getragen hatte und die alten Verbindungen durch die Änderungen seines Nachfolgers Axantucar zerstört worden waren. Im Augenblick kümmerte sich die Partei der Gelben Blume nur um sich selbst, und die Nimboni waren dem Clan der Kanazawai ganz sicher günstig gesonnen. Möglicherweise war dies der erste Schritt einer Annäherung.
Mara seufzte über die undurchschaubaren Verwicklungen der Politik. Ohne Arakasis Netzwerk würde sie sich auf Vermutungen verlassen müssen und könnte ihren Clan nur mühsam und ohne die notwendige Entschiedenheit durch das Durcheinander führen.
Der Bote leerte seinen Becher und wartete höflich darauf, daß sie sich ihm wieder zuwandte. Nach einer Geste von Mara nahm er den Faden wieder auf.
»Der Lord der Hanqu bittet Euch in aller Förmlichkeit darum, eine Allianz mit seinem Haus zu überdenken. Wenn Ihr meint, daß ein solches Bündnis den Interessen der Acoma entgegenkommt, ersucht er um ein Treffen, um seinen Vorschlag zu diskutieren.«
Ein Haussklave entfernte unauffällig den leeren Becher. Mara nutzte die Pause zu einer raschen Entscheidung. »Ich fühle mich geschmeichelt von dem Angebot des Lords der Hanqu und werde ihm durch einen meiner eigenen Boten eine Nachricht zukommen lassen.«
Dies war höflich, wenn auch unverbindlich, und nicht ungewöhnlich, da eine Herrscherin in der Nähe von Sulan-Qu nicht mit der Gilde einer anderen Stadt vertraut war. Mara dachte an ihre Sicherheit und beabsichtigte, einen Boten einer ihr bekannten Gilde zu mieten. Doch diesen Kurier konnte sie nicht ohne Dank entlassen, denn das könnte als Mißtrauen gedeutet oder gar als unehrenhaft empfunden werden. Die Lady schickte nach Saric. Er war inzwischen mit den Pflichten eines Zweiten Beraters vertraut und würde den Gildeboten in einer etwas abseits gelegenen Kammer mit Banalitäten beschäftigen, bis die Hitze sich gelegt hatte und der Mann höflich entlassen werden konnte.
Die Berichte über ihre Finanzen interessierten Mara nicht mehr. Den ganzen Morgen hindurch grübelte sie über Lord Xaltepos unerwartete Annäherung, ohne seine Motive ergründen zu können. Möglicherweise wünschte er ernsthaft eine Allianz; dann durfte sie mit der Angelegenheit nicht leichtfertig umgehen. Da Mara offiziell das Amt der Clanlady errungen hatte, war es vielleicht nur eine erste Annäherung von vielen anderen, die noch folgen würden. Es wäre töricht, sie nicht zu beachten.
Viel gefährlicher war es, wenn er als Marionette von einem anderen, bekannteren Feind benutzt wurde, um dessen
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