Zeit des Aufbruchs
müssen, denn dann bin ich bereits tot.«
Der Kriegsberater nickte; das mußte er Kevin zugute halten. Er ließ den Sklaven los und wandte sich schnell ab, während Maras Eskorte und die Träger in den Nebel hinauswanderten. Kevin beeilte sich, wieder seine Position neben der Sänfte einzunehmen, doch er blickte mehrmals über die Schulter zurück. Er war schon längst nicht mehr der Fremde, als der er einst gekommen war, und er hätte schwören können, daß der fähige alte Krieger unter einer schweren Last litt.
Zu der Zeit, da die aufgehende Sonne den Nebel aus den Tälern trocknete, waren Mara und ihre Ehrengarde bereits tief in den Wäldern, die die Ausläufer des Kyamaka-Gebirges bedeckten.
Noch lange, bevor die täglichen Karawanen unterwegs waren oder sich zeitige Boten blicken ließen, wandten sie sich von der Hauptstraße ab und nahmen einen engen Weg, der noch tiefer in die Wildnis führte. Das Tageslicht war schwach hier, wo Nebel die feuchten Bäume in sanfte Düsternis tauchte. Die feuchte Hitze wurde bereits drückend. Truppenführer Kenji bedeutete seinem kleinen Trupp, eine kurze Rast einzulegen, nicht zuletzt, um den Trägern von Maras Sänfte einen Wechsel zu ermöglichen. Die Eskorte war zu klein, um einen Wasserträger mitzunehmen, und so holten die Sklaven Wasser von der Quelle am Wegrand. Kevin, der ihre Not bedauerte, half ihnen bei der Arbeit. Mara war keine schwere Last, doch an diesem Tag hatte sie es sehr eilig, und die abgelösten Träger waren schweißnaß und keuchten.
Mit dem Becher Wasser in der Hand kniete Kevin am Rand eines ruhigen, bemoosten Teiches, der von einer Quelle in einer Felsspalte gespeist wurde. Er war fasziniert von dem fremden orangefarbenen Moos, das die Ufer bedeckte, und von den Fischen, deren Leiber immer wieder schillernd zwischen blaugrünen Wasserpflanzen aufblitzten. Nur nebenbei hörte er Truppenführer Kenji zu Mara sagen, daß der Kundschafter, der zum Schutz vor Verfolgern ein Stück hinter ihnen blieb, sich mit seinem Bericht verspätete.
»Wir werden warten und sehen, ob er erscheint«, entschied der Offizier. »Wenn er nicht innerhalb einer Minute hier ist, schlage ich vor, daß wir uns in die Deckung der Bäume begeben und ein Mann der Sache nachgeht.«
Kevin grinste in sich hinein und bückte sich, um seinen Eimer zu füllen. Der Kundschafter, um den es ging, war Juratu, ein lebhafter Mann mit scharfem Verstand und alles andere als ein Freund von Traurigkeit; am Abend zuvor hatte er mit Freunden noch bis spät in die Nacht gewettet. Wenn er auch nur halb soviel Wein getrunken hatte, wie der Klatsch in den Baracken behauptete, mußte er ziemlich sicher langsamer sein als erwartet, denn ein ausgewachsener Kater würde ihn deutlich bremsen.
Einer der Soldaten erzählte Kenji genau dies, doch er fügte hinzu, daß es sich bei diesem Gebiet um die Heimat der Grauen Krieger handelte und Juratu vielleicht angehalten hatte, um ihnen nachzuspüren. Ein anderer schlug trocken vor, daß er möglicherweise etwas mit ihnen tauschte, um eine Weinhaut zu ergattern. Kevin kicherte leise vor sich hin; wäre die Lady nicht anwesend gewesen, hätte eine solche Eskapade sicherlich zu Juratus Ruf gepaßt. Ganz in Gedanken an die Grauen Krieger und seine wenigen Kameraden, die entkommen waren und in diesen Wäldern Unterschlupf gefunden hatten, blinzelte Kevin zwischen die Bäume, als er sich wieder erhob.
Der Nebel lichtete sich etwas. Blasse Speere aus Sonnenlicht fielen durch das Dach aus Blättern und Ästen. Hätte Kevin nicht in der halben Erwartung hingeschaut, wirklich zufällig die Gestalt eines Mannes zu erblicken, er hätte die Bewegung sicherlich übersehen: das kurze, aufflackernde Antlitz eines Mannes zwischen den Blättern, in einem Moment da, im nächsten schon wieder verschwunden.
Die Nase war schmal gewesen und leicht gebogen, und der Helm hatte nicht Juratu gehört.
Kevins Hände klammerten sich um den Eimer; Wasser schwappte über und näßte seine Knöchel in einem kleinen Guß. Er wagte nicht, laut aufzuschreien, nicht einmal zu laufen, um nicht zu verraten, daß er den verborgenen Beobachter gesehen hatte. Er schwitzte, und seine Knie zitterten gewaltig, als er der Quelle den Rücken zuwandte. Wie ein teilnahmsloser Sklave machte er einen nervenaufreibenden Schritt nach dem anderen, zurück zu Maras Karawane.
Die Haut zwischen seinen Schulterblättern juckte, als würde er dort jeden Augenblick den schrecklichen Schmerz eines Pfeils
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