Zeit des Aufbruchs
der Akasi erschien ihr widerwärtig süß. Mara schob den Schreibtisch beiseite. Sie empfand ein unstillbares Verlangen nach Kevin, stand taumelnd auf und eilte die erleuchteten Korridore entlang, an den wachsamen Kriegern vorbei zum Kinderzimmerflügel.
Am Eingang zögerte Mara, die Augen halb blind von der plötzlichen Dunkelheit. Sie blinzelte einen neuen Ansturm von Tränen weg und wartete darauf, daß sich ihre Sicht den Lichtverhältnissen anpaßte. Die scharfen Kräuter des Heilers und der Duft von Wickeln und Umschlägen hingen schwer in der Luft. Schließlich trat sie über die Schwelle.
Mondlicht färbte den geschlossenen Laden kupfern und schnitzte dunkle Silhouetten aus den aufmerksamen Wachen draußen. Keineswegs beruhigter durch ihre Achtsamkeit bahnte Mara sich ihren Weg zu Kevin, dessen Verbände in der Dunkelheit weiß leuchteten. Sein Körper hatte sich in den Laken verwickelt, als hätte er eine unruhige Nacht. Sie blieb stehen, schaute Ayaki an und versicherte sich, daß der Junge jetzt ruhiger war, fest mit offenem Mund schlief, die Hand auf dem Kissen geballt. Die Wunde in seinem Nacken heilte schneller als Kevins Verletzungen, die auf dem Schlachtfeld weniger rasch hatten behandelt werden können. Doch der Schaden, den der Attentäter in der Seele des kleinen Jungen angerichtet hatte, war weitaus größer. Mara war erleichtert, daß er nicht wieder unter einem Alptraum litt, und ging an ihm vorbei auf Kevins Matte zu, zupfte dann leicht an den Laken, in denen sich sein schlaffer Körper verfangen hatte.
Er bewegte sich bei ihrer Berührung und öffnete die Augen. »Lady?«
Mara verschloß ihm den Mund mit einem Kuß.
Kevin streckte die linke Hand aus und umfaßte ihre Taille. Trotz seiner Verletzungen besaß er noch genug Kraft und zog sie zu sich hinunter. »Ich habe dich vermißt«, flüsterte er in ihr Haar. Seine Hand ging auf Wanderschaft, und unter seinen geübten Fingern öffnete sich ihre leichte Robe rasch.
Mara verbarg ihren Kummer und beeilte sich, ebenso humorvoll zu entgegnen. »Mein Heiler drohte mir gräßliche Konsequenzen an, falls ich in dein Bett kommen und dich über deine Kräfte hinaus beanspruchen würde. Er sagte, deine Wunden könnten sich immer noch öffnen.«
»Verflucht sei er, daß er eine solche Großmutter ist«, sagte Kevin liebenswürdig. »Meinen Wunden geht es gut genug, außer wenn er sich entschließt, daran herumzuzupfen.« Sie fühlte sich wohlig warm und sicher, als der Midkemier mit den Rückseiten seiner Finger über ihre Brüste fuhr. Dann umarmte er sie fester. »Du bist meine Heilung, du allein.«
Mara zitterte, halb aus Trauer, halb aus schmerzlich-leidenschaftlicher Erregung. Sie verbannte den quälenden Wunsch, den Diener mit dem Heiratsvertrag zurückzurufen, und kuschelte sich enger an ihn.
»Kevin«, begann sie.
An ihrer Stimme erkannte er, daß sie litt. Er gab ihr nicht die Gelegenheit zu sprechen, sondern beugte sich über sie und küßte sie. Ihre Arme schlossen sich um seine Schultern, vermieden die Verbände über seinen Wunden. Kevin drückte sie fest an sich und streichelte sie; instinktiv gab er ihr das, von dem er glaubte, daß ihre Seele es benötigte, und in vertrauter und natürlicher Verbindung schliefen sie miteinander. Seine Leidenschaft schien in keiner Weise beeinträchtigt, abgesehen davon, daß er sofort einschlief, als seine Erregung vorüber war.
Mara streckte sich neben ihm aus und starrte mit weit geöffneten Augen in die Dunkelheit. Sie fuhr mit den Händen über ihren flachen Bauch, sich durchaus bewußt, daß ihre Aktion im Kinderzimmer nicht vernünftig bedacht gewesen war. Sie hatte kein Elixier des Teriko-Krautes zu sich genommen, kein Mittel, um eine Empfängnis zu verhüten. Nacoya hätte bei ihrem Fehltritt schrille Vorwürfe ausgestoßen.
Nacoya wäre weise gewesen.
Im schwachen, gedämpften Mondlicht betrachtete Mara Kevins Profil, das in einem Nest aus roten Haaren zu ruhen schien. Sie beschloß, sie wollte nicht weise sein. Hokanu würde sie heiraten müssen, wenn Kamatsu es erlaubte, und dann würde er sie haben; aber wenn sie Kevin schon opfern mußte, fehlte es ihr doch am nötigen Willen, seine Liebe und ihr Glück ohne ein dauerhaftes bindendes Band zwischen ihnen aufzugeben.
Es war dumm, sogar selbstsüchtig. Doch sie wollte Kevins Kind. Alles, was sie bisher geschaffen hatte, war für die Ehre ihrer Familie und ihrer Ahnen geschehen. Ihr Herz war mitgenommen, aufgezehrt von all den
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