Zeit des Aufbruchs
er verzweifelt aus Alpträumen erwachte. Mara saß oft einfach nur still am Bett ihres Sohnes, oder sie sprach oberflächlich mit Kevin. Sie versuchte die zwölf Krieger zu ignorieren, die an den Fenstern und Türen standen. Jetzt konnte sie nicht einmal an den Schatten der Büsche ihres Gartens vorbeigehen, ohne sich nach einem Attentäter umzusehen.
Nach einer anstrengenden Suche hatten Lujans Spurensucher den Weg entdeckt, auf dem der Attentäter ins Herrenhaus gelangt war; der Mörder hatte sich Zeit gelassen, um seine Mission zu erfüllen, hatte hier eine Nacht in einem Baum verbracht, dort eine Vertiefung unter einer Hecke hinterlassen, wo er mehrere Stunden gelegen und reglos auf eine Pause zwischen den Patrouillen gewartet hatte. Jetzt war klar, daß Tasaio seit der Nacht der Blutigen Schwerter seine Taktik geändert hatte. Bisher hatte er es mit einer Übermacht an Angreifern und schierer Kraft probiert und versagt; bei seinem letzten Versuch hatte er den heimlichen Weg gewählt und nur einen einzigen Mann beauftragt. Lujan hatte nicht genug Männer, um auf der Suche nach neuen Eindringlingen jeden Busch, jede Rebe und jeden Zaun täglich abklopfen zu lassen. Das Problem war nicht, daß die Wachen der Acoma nachlässig geworden wären, der Besitz war einfach zu weitflächig und zu offen, um immerzu lückenlos geschützt werden zu können.
Nacoya und eine Patrouille mutiger Soldaten waren jetzt nicht mehr als Asche, und der Schmerz des Versagens zehrte an Mara. Eine Woche verging, bevor sie sich stark genug fühlte, um nach Arakasi zu fragen.
Es war spät am Abend, und Mara saß in ihrem Arbeitszimmer neben einem Tablett mit Essen, das sie kaum angerührt hatte. Sie hatte ihren kleinen Sklavenjungen beauftragt, den Supai herkommen zu lassen; jetzt verneigte sich der Junge so tief, daß er mit der Stirn den gewachsten Boden berührte.
»Lady«, sagte er, noch auf dem Boden liegend, »Euer Supai ist nicht da. Jican bedauert, Euch davon in Kenntnis setzen zu müssen, daß er Euren Landsitz noch in der Stunde nach dem Angriff auf Euch und Euren Sohn verlassen hat. Er erzählte niemandem von seinem Ziel oder dem Tag seiner Rückkehr.«
Mara saß auf den Kissen unter dem heißen Licht der Lampe und rührte sich so lange nicht, daß der Sklavenjunge schließlich zu zittern begann.
Sie starrte auf die Malerei an den Wänden, die ihr verstorbener Ehemann Buntokapi hatte anbringen lassen, Bilder, die in außerordentlicher Brillanz Szenen blutiger Schlachten zeigten. Nach Maras abwesendem Blick zu urteilen schien sie die Bilder jetzt zum ersten Mal zu sehen. Es paßte ganz und gar nicht zu ihr, daß sie die Verzweiflung des Sklavenjungen nicht bemerkte, denn sie mochte ihn gern und tätschelte ihm hin und wieder den Kopf, wenn er einen Auftrag besonders schnell ausgeführt hatte.
»Lady«, kam schließlich seine zaghafte Stimme, als Minuten vergangen waren und seine Knie zu schmerzen begannen.
Mara rührte sich und kehrte wieder in die Gegenwart zurück. Sie sah, daß der Mond jenseits der Läden hoch am Himmel stand und die Dochte in den Lampen weit heruntergebrannt waren. »Du kannst dich zurückziehen«, gestattete sie ihm mit einem tiefen Seufzer.
Der Junge eilte in dankbarer Hast hinaus. Mara blieb, wo sie war, während Bedienstete eintraten und das unberührte Essen wieder wegtrugen. Sie winkte auch die Zofen hinaus, die erwartet hatten, daß sie sich jetzt hinlegen wollte, und blieb sitzen, eine trockene Feder in der Hand, ein leeres Pergament ausgebreitet vor ihr. Die Stunden vergingen, und sie hatte immer noch nichts geschrieben. Insekten sangen ihr nächtliches Lied im Garten, und um Mitternacht wechselte die zusätzliche Wache.
Es war einfach unvorstellbar, daß Arakasi ein Verräter sein sollte; und doch legten es ihr die Mitglieder ihres Haushalts in leisen Worten nahe. Mara drehte die Feder gequält in der Hand. Sie hatte bisher vermieden, ihn offiziell zur Rückkehr aufzufordern, in der Hoffnung, daß der Mann von allein auftauchen und sämtliche Zweifel beseitigen würde, daß er an Tasaios Anschlag auf ihr Haus beteiligt gewesen sein könnte. Keyoke äußerte sich gar nicht zu diesem Thema, und der gewöhnlich redselige Saric zögerte. Selbst Jican sorgte dafür, daß er nach seinen Finanzberichten nicht zu lange zum Plaudern blieb. Mara warf die Feder zur Seite und massierte ihre Schläfen mit den Fingerspitzen.
Es wurde ihr schmerzhaft klar, daß Arakasi sich verdächtig gemacht
Weitere Kostenlose Bücher