Zeit des Aufbruchs
Kekali-Gartens, den sie als letzte Zuflucht aufgesucht hatte. Sie verzog in einer kaum wahrnehmbaren Andeutung von Erheiterung die Mundwinkel und blieb ansonsten weiter reglos; ihre Melancholie wollte nicht weichen. Die Sonne brannte vom Himmel, saugte das Leben und die Farben aus der Lichtung. Die Büsche schienen jetzt grün in dem grellen Licht, und die tief indigofarbenen Blüten waren an den Rändern von der Hitze versengt. Mara schritt die Wege entlang, fingerte unruhig an den roten Troddeln ihres Trauergewandes. Sie schien beinahe Nacoyas Geist hinter sich zu hören.
»Tochter meines Herzens«, schien die alte Frau zu sagen, »es ist töricht von Euch und dreimal zu bedauern, wenn Ihr auf dieser Idee besteht, ein Kind von Kevin auszutragen. Jeden Tag kann ein Bote mit einer Nachricht von Kamatsu von den Shinzawai vom Heiratsvermittler zurückkehren. Wagt Ihr es, den Sohn eines ehrenhaften Hauses zu heiraten, während Ihr das Kind eines Sklaven unter dem Herzen tragt? Wenn Ihr so etwas tut, beschämt Ihr den Namen der Acoma jenseits jeder Möglichkeit, es wiedergutzumachen.«
»Dann werde ich es Hokanu freiheraus sagen, falls ich ein Kind erwarte«, unterbrach Mara die imaginäre Stimme.
Sie ging um einen Gärtner herum, der Unkraut jätete, und schlenderte ziellos einen anderen Pfad entlang. Der Diener hinter ihr legte sein Werkzeug beiseite und folgte ihr.
»Lady«, rief eine Stimme so weich wie Samt.
Maras Herz blieb eine Sekunde stehen. Das Blut in ihren Adern gefror, als sie sich langsam umdrehte. Furcht ließ ihr den Schweiß aus allen Poren brechen. Sie studierte den Diener im sonnengebleichten Gewand: Arakasi … Mit außergewöhnlicher Anmut näherte er sich, in der Hand einen Dolch. Als sie gerade einen Warnschrei ausstoßen wollte, warf er sich vor ihr auf den Kiespfad und hielt ihr das Messer entgegen, mit dem Heft zuerst.
»Mistress«, sagte Arakasi. »Ich bitte Euch um die Erlaubnis, mein Leben mit dem Dolch zu beenden.«
Mara trat unwillkürlich einen Schritt zurück: der Schock machte sie ganz benommen. »Einige sagen, Ihr hättet mich verraten«, platzte es aus ihr heraus, unbeholfen und ohne lange nachzudenken. Ihre Worte waren anklagend genug.
Arakasi schien beinahe zusammenzuzucken. »Nein, Mistress. Das nicht, niemals.« Er hielt kurz inne und fuhr dann mit gequälter Stimme fort: »Ich habe versagt.« Er wirkte abgezehrt. Das Gewand des Gärtners hing erbarmungswürdig um seine Schultern, und seine Hände waren so zerknittert wie altes Pergament. Doch seine Finger zitterten nicht.
Mara sehnte sich plötzlich nach etwas Schatten oder irgendeinem anderen Schutz vor der Sonne. Sie schluckte. »Ich habe Euch vertraut.«
Arakasi bewegte keinen Muskel, obwohl er unbarmherzig der grellen Sonne ausgesetzt war. All seine Täuschungen waren wie weggewischt. Er sah wie ein gewöhnlicher Diener aus, müde, ehrlich und zerbrechlich. Mara hatte niemals die schwache Knochenstruktur seiner Handgelenke bemerkt. Seine Stimme klang brüchig, als er fortfuhr: »Die fünf Spione im Haushalt der Minwanabi sind tot. Sie wurden auf meinen Befehl getötet, und der Tong, den ich dafür anheuerte, brachte mir ihre Köpfe als Beweis. Elf Agenten, die ihre Nachrichten von der Szetac-Provinz weitertrugen, sind ebenfalls tot. Diese Männer habe ich mit meinen eigenen Händen getötet, Mistress. Ihr habt keine Spione mehr im Haus Eures Feindes, doch Tasaio hat auch keine mehr, die er benutzen kann. Es lebt niemand mehr, den er zwingen könnte, Euch zu verraten. Ich bitte Euch erneut darum, mir Sühne zu gestatten. Gewährt mir den Tod durch die Klinge.«
Er erwartete nicht wirklich, daß sie seiner Bitte nachkam; er war einst nicht mehr als ein Grauer Krieger gewesen und nicht in den Dienst gegenüber ihrem Haus hineingeboren.
Mara machte erneut einen Schritt zurück und setzte sich abrupt auf eine Steinbank. Die plötzliche Bewegung erregte die Aufmerksamkeit ihrer Wachen, und einige eilten herbei, um der Sache nachzugehen. Der befehlshabende Offizier sah den Diener zu ihren Füßen und erkannte in ihm den Supai. Der Krieger gab ein Zeichen, und seine kleine Patrouille stürmte los. Nur einen Herzschlag später hatten die Krieger Arakasis ausgestreckte Handgelenke erfaßt, zogen ihn rasch hoch und hielten ihn in Schach.
»Lady, was sollen wir mit diesem Mann tun?« fragte der Patrouillenführer forsch.
Mara sah ihn an, ganz still. Die Krieger, bemerkte sie, behandelten ihren Gefangenen mit großer
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