Zeit des Aufbruchs
bereit. Zu viele Parteien konkurrieren um den Platz des Kriegsherrn, und den einen Kandidaten öffentlich zu unterstützen zieht die Feindseligkeit aller seiner Rivalen nach sich.«
Arakasi wickelte eine Nachricht auseinander, die streng nach Fisch roch. »Mein Agent an den Docks berichtet von der Ankunft von Dajalo von den Keda.«
Mara blickte bei diesen Worten auf. »Ist er in seinem Stadthaus oder hier im Palast?«
»Geduld, Lady« Arakasi durchsuchte die Nachrichten, sortierte drei aus und widmete sich dann einem verschlüsselten Schriftstück, das aufregend nach Parfüm roch. »Stadthaus«, meinte der Supai. »Zumindest für heute nacht.«
Mara klatschte nach dem Schreiber in die Hände, der hergekommen war, um ihr bei der Korrespondenz zu helfen. »Richtet dieses Schreiben an Lord Dajalo von den Keda. Zuerst übermittelt Ihr ihm unser Beileid wegen des Todes seines Vaters, zusammen mit unserer Überzeugung, daß sein Ende mutig und ehrenvoll war. Dann teilt Dajalo mit, daß die Acoma ein Dokument mit dem persönlichen Siegel Lord Anderos besitzen, das das Haus Keda verpflichtet, eine Stimme unserer Wahl zu unseren Gunsten abzugeben. Dajalo ist als neuer Herrscher gebunden, diese Verpflichtung zu übernehmen.«
»Mistress«, unterbrach Arakasi. »Ist das nicht ein bißchen … sehr schnell?«
Mara fuhr mit den Fingern durch ihre dichten Haare, deren Enden von der aufgesteckten Frisur immer noch gewellt waren. »Vielleicht habe ich einige Gewohnheiten von diesem Barbaren hier übernommen.« Sie hielt inne, als es in der Ferne erneut donnerte. »Zweifelt nicht daran … Tasaio von den Minwanabi wird bald bei uns sein, und dann könnte ich diese Stimme sehr schnell benötigen.«
Ein Klopfen an der Eingangstür unterbrach sie. Eine Wache erschien in der Tür und verneigte sich. »Mistress, unsere Kundschafter berichten, daß sich bewaffnete Männer in den äußeren Gängen des Palastes herumdrücken.«
Mara blickte Lujan an, der noch beim Aufstehen seinen Helm über die verstrubbelten Haare stülpte und festzog. Blitze zuckten jenseits der Läden silbern auf, gerade noch sichtbar durch die kleinen Schlitze zwischen den mittlerweile mit rohen Brettern verstärkten Barrikaden. Kevin unterdrückte das Bedürfnis, wie ein eingesperrtes Tier hin und her zu laufen, während Mara und Arakasi sich in die Berichte vertieften. Das Kratzen der Feder des Schreibers überbrückte die Pause, bis der Kommandeur zurückkehrte.
Seine Verbeugung war mehr als oberflächlich. »Unsere Späher haben zwei Gruppen von Soldaten ausgemacht, die aus je zwanzig bis dreißig Kriegern bestehen. Sie halten sich in den Schatten und scheinen es auf einen anderen Teil des Palastes abgesehen zu haben.«
»Welches Haus?« fragte Mara rasch.
»Keines, hübsche Lady.« Lujans Versuch, sie zu beruhigen, war zweifelhaft. »Sie tragen schwarze Rüstungen ohne irgendwelche Abzeichen.«
Mara riß die Augen auf. »Dann beginnt es jetzt.«
Lujan erteilte leise Befehle an die Krieger in der vorderen Kammer. Jetzt wurde auch der letzte Laden, der bisher noch eine Ritze geöffnet geblieben war, um etwas frische Luft hereinzulassen, zugezogen und mit Pflöcken befestigt. Ein Tisch wurde vornüber gegen die äußere Tür gelehnt und dann mit einem dicken Balken festgeklemmt. Jetzt wurde die Feuchtigkeit, die der Sturm mitbrachte, zu einer erdrückenden Decke. Arakasi schien das nichts anzuhaben, denn er grübelte nach wie vor in aller Stille über seinen Nachrichten.
Doch Kevin schwitzte und war nervös, seine leeren Hände sehnten sich nach einer Klinge. Die Stunden zogen sich hin, und es wurde Mitternacht. Gedämpfte Geräusche drangen durch die Wände. Schritte platschten in Pfützen oder trampelten Gänge und Treppen hinunter, manchmal unterbrochen durch einen Schrei. Der Regen hörte auf, und Insekten zirpten draußen ihr nächtliches Lied.
Da niemand sich veranlaßt fühlte, zu den alltäglichen Notwendigkeiten überzugehen, kniete Kevin sich schließlich neben Mara und zog ihr das Pergament aus der Hand, das sie seit einer Stunde festhielt, ohne es zu lesen. »Du mußt hungrig sein«, drängte er sie leise.
Mara lehnte sich an ihn. »Nicht wirklich. Aber ich sollte etwas essen, wenn ich morgen im Rat wach sein will.«
Kevin stand auf und bereitete sich auf den unvermeidlichen Machtkampf vor, der in dem Moment einsetzen würde, da er die Küche betrat. Jican hielt jeden Sklaven mit leeren Händen für Freiwild. Heute nacht schien er auf den
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