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Zeit des Aufbruchs

Zeit des Aufbruchs

Titel: Zeit des Aufbruchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Ratskameraden umgebracht worden.«
    »Der Tod gehört zum Spiel«, antwortete Mara, und als der Morgen sich in die Länge zog, begann Kevin endlich zu verstehen. Die Niederlage eines anderen in ungebührlicher Weise zu beachten bedeutete soviel wie ein unehrenhaftes Verhalten vorauszusetzen, da Mord grundsätzlich bedeutete, daß jemand dafür verantwortlich war. Solange es keine Beweise gab, sprachen die Tsuranis nur von »Unfällen«. Ein Lord konnte ohne Strafe jemanden töten und selbst noch die Bewunderung seiner Rivalen erringen, wenn er nur die Form wahrte.
    Ein Lord mittleren Alters schlenderte zu Mara herauf, die aufstand und sich zur Begrüßung vor ihm verneigte. Sie unterhielten sich über dies und jenes und streiften auch kurz das Handelsgeschäft. Kevin war seinen eigenen Gedanken überlassen. Dieses Verhalten, in aller Seelenruhe weiterzumachen und so zu tun, als ob überhaupt nichts geschehen wäre, obwohl in der Nacht zuvor Attentäter den Palast unsicher gemacht hatten, ängstigte ihn in einer Weise, wie er es seit seiner Gefangennahme nicht mehr erlebt hatte.
    Ein aufgeregtes Raunen war zu hören, als ein junger Mann auf die untere Galerie trat. Flankiert von sechs Wachen in scharlachrot-grauer Rüstung, nahm er auf einem der eindrucksvolleren Stühle gegenüber dem zentralen Podest Platz. Köpfe wandten sich um, als er einen Berater an seine Seite rief. Nach einer kurzen Unterredung verneigte sich der Mann und eilte schnurstracks die Stufen zu Mara empor, die noch mit dem anderen Edlen sprach. Kevin, den das leise Geflüster darauf aufmerksam machte, daß etwas Bedeutendes geschehen war, beobachtete die Situation gespannt.
    Der Berater verneigte sich vor Mara. »Mylady von den Acoma, mein Lord möchte Euch wissen lassen, daß die Keda bereit sind, jede Schuld abzutragen, die in ihrem Namen zustande gekommen ist.«
    Mara neigte leicht ihren Kopf, und der Berater ging. Diese Nachricht hatte eine grundlegende Wirkung auf den Mann, dessen Gespräch unterbrochen worden war. Seine Haltung änderte sich vollkommen, war jetzt nicht mehr herrisch, sondern aufrichtig unterwürfig. Und plötzlich fanden auch einige der anderen geringeren Edlen den Weg von den Galerien herunter und suchten ein Gespräch mit der Lady der Acoma.
    Kevin sah verwundert zu, wie die feine Strömung der tsuranischen Politik sich änderte und Mara mehr und mehr Aufmerksamkeit erhielt. Jetzt, da die Führer der Fünf Großen Häuser in der fremden Welt verloren waren, waren die mächtigeren Clans in ihre eigenen mörderischen Kämpfe verwickelt. Dies gab den unbedeutenden Familien in ebendiesen Clans – und natürlich auch den kleinen Clans – die Gelegenheit, im Rat zu verhandeln, Versprechen abzugeben und mögliche Unterstützung zu suchen. Wenn die Armeen der Mächtigen aus Rivalitätsgründen gegeneinander marschieren sollten, mußten die schwächeren Häuser zusammenstehen, wenn sie nicht durch Einschmeicheln den Schutz eines mächtigeren Herrschers erlangen wollten. Vereinbarungen wurden getroffen, Zugeständnisse gemacht – freiwillig oder unter Zwang –, und Handelswaren wechselten als Bürgschaften oder Geschenke die Besitzer. Als sich der Tag immer weiter hinzog, bemerkte Kevin, daß Mara es noch nicht nötig gehabt hatte, ihren Stuhl zu verlassen: Die an ihr interessierten Lords kamen zu ihr, was wiederum auch anderen nicht entging. Die Lords der Inrodaka und Ekamchi blickten häufig auf den leeren Platz des Lords der Minwanabi, während Mitglieder des Clans Ionani lächelnd mit dem hartgesichtigen Lord der Anasati sprachen.
    Kurz vor Mittag traten einige Soldaten in Purpur und Gelb ein; sie begleiteten einen schlanken jungen Mann zum Stuhl der Xacatecas. Der Erbe von Lord Chipino, sehr dunkel und gutaussehend, nahm im Rat mit der ganzen Gelassenheit seines Vaters Platz. Als Mara ihn sah, nahm sie den Fächer in die Hand und preßte ihn einen Augenblick gegen die Stirn. Kevin spürte ihre ungeheure Anspannung. Er konnte ihr keine beruhigenden Worte sagen, sondern stand nur steif da; auch er hatte mit einem Stich bemerkt, wie sehr der Junge seinem verstorbenen Vater ähnelte.
    Drei Lords warteten höflich darauf, daß Mara ihnen ihre Aufmerksamkeit schenken würde. Sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und unterhielt die Herren mit Anekdoten, bis die meisten Lords des Clans Xacala Zeit gehabt hatten, sich dem Erben ihres früheren Clanlords zu präsentieren.
    Endlich trat eine Pause ein. Mara winkte Lujan zu sich

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