Zeit des Aufbruchs
jemals verwirrt darüber, wer Ihr heute seid?« fragte Kevin, denn er mußte die Verkleidung erst noch finden, die der Supai nicht ausprobieren würde.
Arakasi hielt die Frage für unwichtig und machte sich mit beneidenswertem Geschick daran, mit nur einer Hand die Briefe zu falten und mit einem Siegel zu versehen. Inzwischen hatte Mara ihr Obergewand abgelegt. Sie verzichtete darauf, Arakasi von ihrem Platz zu bitten, sondern setzte sich statt dessen auf die Schlafmatte, die er verlassen hatte.
»Wer wird die Briefe übergeben?« fragte sie scharf.
Der Supai reagierte auf die Gereiztheit in ihrer Stimme mit einer Verbeugung, die durch die lästige Schlinge etwas unbeholfen aussah. »Kenji hat sich schon einmal zur Verfügung gestellt«, sagte er weich. »Dies sind die Antworten auf die Arbeit eines guten halben Tages.« Als sich deutliche Wut in Maras Blick mischte, runzelte Arakasi mißbilligend die Stirn. »Ihr habt mir verboten hinauszugehen, und das habe ich auch nicht getan.«
»Das sehe ich«, sagte Mara. »Ich hätte daran denken müssen, daß Ihr Euch so gut schlafend stellen könnt, wie Ihr jede andere Verkleidung annehmt.«
»Die Wirkung des Weines war ziemlich echt«, wandte Arakasi etwas verletzt ein. Er blickte auf die Blätter, die um seine Knie herum verstreut lagen. »Interessiert Euch, was ich erfahren habe?«
»Tasaio«, unterbrach Mara. »Er ist hier.«
»Mehr noch.« Arakasi wurde ernst. »Die meisten Kämpfe bisher sind nur taktische Übungen gewesen. Heute nacht wird sich das ändern. Ganze Sektionen des Palastes sind als Basis von großen Gruppen von Kriegern und Attentätern in Beschlag genommen worden. Einige der vorangegangenen Kämpfe haben nur stattgefunden, um die Wohnungen zu besetzen, von denen die wirklichen Angriffe ausgehen werden.«
Mara blickte schweigend zu Lujan, der sich daraufhin einschaltete. »Mistress, selbst wenn sie Gewaltmärsche unternehmen, sind unsere Soldaten noch zwei Tage von hier entfernt. Wir sind ganz auf die Streitmacht angewiesen, die uns hier zur Verfügung steht.«
Eine gespannte Stille folgte diesen Worten, und das Klirren der Tabletts, als der Diener ins Zimmer trat, wirkte wie eine befremdliche Störung. Mara seufzte. »Arakasi?«
Der Supai wußte sofort, was sie von ihm wollte. »Spione sind nicht nötig. Tasaio ist voll und ganz damit beschäftigt, Befürworter für seinen Anspruch auf den weißgoldenen Thron zu finden. Er geht davon aus, daß Ihr Eure Unterstützung demjenigen von seinen Gegnern zukommen laßt, der am stärksten ist – wer auch immer es sein mag. Selbst wenn er Euren Mut überschätzt und Ihr Eure Feindseligkeit unter dem Schein von Neutralität versteckt, wird er immer noch versuchen, Euch auszulöschen. Mit Eurem Tod hätte er den Blutschwur gegenüber dem Roten Gott erfüllt und zusätzlich Eure Verbündeten verunsichert. Eure Beliebheit nimmt zu. Euch zu töten würde Aufmerksamkeit erregen und könnte den Minwanabi die Möglichkeit geben, den Anspruch auf das Weiß und Gold vor demjenigen zu erheben, der letztendlich siegreich aus dem internen Machtkampf des Clans Omechan hervorgehen wird.«
Jetzt hatte Mara ihren scharfen Verstand wiedergefunden. »Ich habe einen Plan. Wer wird heute nacht vermutlich sonst noch überfallen?«
Arakasi mußte nicht erst auf seine Zettel schauen. »Hoppara von der Xacatecas und Iliando von den Bontura scheinen ganz oben auf der Liste zu stehen.«
»Iliando von den Bontura? Aber er ist einer der besten Freunde von Lord Tecuma und ein Anhänger der Ionani.« Mara sah, daß der Diener unsicher bei den Tabletts stand. Sie forderte ihn mit einer Geste auf, sich wieder seiner Arbeit zuzuwenden. »Warum sollte ein Lord der Ionani als Zielscheibe ausgewählt werden?«
»Als Warnung für die Tonmargu und andere Lords des Clans Ionani, sich nicht gegen Tasaio oder die Omechan zu stellen«, erklärte Arakasi.
»Eine höfliche Mitteilung hätte es auch getan, würde ich meinen«, sagte Kevin.
Lujan unterbrach ihn trocken. »Lord Iliando zu töten ist eine höfliche Mitteilung für Tsuranis.«
Mara beachtete die Unterbrechung nicht; sie wandte sich weiter Arakasi zu. »Könnten Eure Kontaktpersonen die beiden Lords benachrichtigen, die Ihr an oberster Stelle auf der Liste vermutet? Ich möchte sie bitten, heute nachmittag im Rat etwas Zeit für mich zu haben.«
Arakasi griff nach der Feder. Er tauchte sie in die Tinte, zog ein Blatt frisches Pergament unter der Armschiene hervor und meinte:
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