Zeit des Lavendels (German Edition)
vom rechten Weg abgekommen. Er ist in Gefahr. Helft, rettet die Unsterblichkeit seiner Seele. Ihr müsst ...« Es kam wie ein Hauch. Über dem Zimmer lag inzwischen schwer die Dämmerung. Die Züge der Frau auf dem Bett waren kaum noch zu erkennen.
»Ja, ich bin Magdalena von Hausen.«
»Dem Himmel sei Dank.«
In diesem Satz erkannte Magdalena von Hausen die ganze Qual, die in diesem Menschen brannte. Die etwas eng stehenden, braunen Augen waren fast blind vor Trauer. In die schmalen, strengen Winkel des einstmals stolzen, herben Mundes hatten sich tiefe Falten gegraben.
Sie legte der Fremden liebevoll die Hand auf den Arm. »Nun, da Ihr mich gefunden habt, könnt Ihr schlafen. Ich laufe Euch nicht weg. Im Gegenteil, Ihr seid in meinem Zimmer. Hier könnt Ihr ruhig schlafen und Kräfte sammeln. Aber sagt mir noch zuerst, wer Ihr seid? Den Rest kann mir dann Eure Gefährtin erzählen.«
Die Fremde nickte schwach. »Verzeiht mir, bitte verzeiht«, murmelte sie so leise, dass Magdalena von Hausen es kaum hören konnte. »Ich wollte Euch dies nicht antun. Auch ich bin die Frau von Thomas Leimen«
»Geht es Euch wieder besser? Hohe Frau, was macht Ihr nur?«
Als Magdalena von Hausen die Augen wieder aufschlug, fand sie sich in den Armen von Regine Steirer wieder. Verwirrt blickte sie zu ihr hoch. Regine Steirer sah an ihren Augen, dass die Erkenntnis zurückkehrte. Dann sammelte sie sich und stand auf, bleich wie eine Tote. Die Wirtsfrau besann sich nicht lange und nahm die andere in den Arm. »Er ist es nicht wert«, sagte sie einfach.
Magdalena von Hausen nickte stumm und blickte zu der schlafenden Dorothea Offenburg hinüber. »Warum ist sie gekommen?«
»Jessas, Ihro Gnaden, ich bin nur eine einfache Frau. Aber ich glaube, sie hatte keinen anderen Ort mehr, an den sie gehen konnte, keinen anderen Menschen mehr, dem sie vertraute. Schaut sie Euch an. Selbst im Schlaf kann man ihre Verzweiflung spüren. Sie machte sich solche Vorwürfe, kam sich so schlecht vor, dass sie einen Mann geheiratet hat, der einer anderen gehörte. Dabei wusste sie es doch nicht besser, die Arme. Und als sie mitbekommen hat, dass dieser Schuft, dieser Thomas Leimer, in Gefahr ist, weil ihn ein anderer Mann verfolgt, da war sie überhaupt nicht mehr zu halten. Irgendwie glaubt sie, Ihr seid die Einzige, die helfen kann, weil Ihr Äbtissin gewesen seid. Und sie hofft so sehr, dass Ihr ihr verzeiht. Sie glaubt, wenn es einen Menschen gibt, der Thomas Leimer retten kann, dann seid Ihr es. Sie hat solche Angst um ihn! Viel mehr als um sich selbst. Nicht nur davor, dass er ermordet wird, sondern auch um seine unsterbliche Seele. Dieser Schuft, dieser elendige.« Regine Steirer schlug sich auf den Mund. »Oh, verzeiht, ich wollte Euch nicht beleidigen. Er ist ja auch Euer Mann.«
Magdalena von Hausen reagierte nicht auf diese letzte Bemerkung. »Warum ich, warum ausgerechnet ich? Ist es denn noch nicht genug?«
Regine Steirer schaute Magdalena von Hausen mitleidig an. »Ach, Ihro Gnaden, ich weiß es nicht. Vielleicht glaubt sie, dass Ihr stark seid, stärker als sie. Aber wer weiß schon, warum das Schicksal uns so vieles auferlegt. Vielleicht hilft's, wenn ich Euch erst einmal die ganze Geschichte dieser Ärmsten erzähle, so wie sie sie mir erzählt hat. Und das, was danach geschah. Die Geschichte eines traurigen Weihnachtsfestes in meinem Gasthaus in den Alpen.«
Magdalena blickte noch einmal hinüber zu Dorothea Offenburg. Dann nickte sie. »Lasst uns nach nebenan gehen. Auch Ihr müsst Euch erst einmal aufwärmen und etwas essen. Dann werden wir reden.«
Leise schlich sich die Magd an die Türe des Schlafzimmers der ehemaligen Äbtissin. Seit Tagen schon kam sie kaum heraus, wich nicht von der Seite dieser seltsamen Fremden. Die andere, die sie gebracht hatte, war schon am nächsten Morgen nach der Ankunft wieder abgereist. Erstaunlich, Magdalena von Hausen hatte diese einfache Frau verabschiedet wie eine Freundin, mit Tränen in den Augen, als sie ging. Dabei war sie doch nichts als eine Herbergswirtin. Danach hatte sie sich umgedreht und war wieder in ihr Zimmer gegangen. Sie hatte leicht geschwankt, als könne sie sich kaum auf den Beinen halten. Zurück in das Zimmer, in dem die kranke Fremde um ihr Leben kämpfte. Denn so viel hatte sich inzwischen herumgesprochen im Stift. Das Mädchen legte vorsichtig das Ohr an die Tür. Doch sie konnte nichts hören. Nur das Gemurmel von zwei Frauenstimmen. Danach war Stille. Die Magd
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