Zeit des Lavendels (German Edition)
zuckte die Schulter und lief weiter. Sie hatte ihre Pflichten zu erfüllen.
Kurz danach schellte die Glocke aus dem Zimmer von Magdalena von Hausen. Als das Mädchen hineinging, sah sie die hohe Frau am Bett der Fremden sitzen. Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Die Fremde lag völlig still. Wie ein kleiner Vogel, der aus dem Nest gefallen ist, dachte die Magd. Leise näherte sie sich dem Bett.
Magdalena von Hausen blickte auf. »Sie ist tot«, sagte sie leise. Und dann: »Sie wollte wohl nicht mehr leben.« Sie schüttelte den Kopf und straffte sich. »Holt mir den Großmeier des Stiftes. Ich muss mit ihm reden.«
Hans Jakob von Schönau sah auf die bleiche, stille Frau auf dem Bett hinunter. Der Tod hatte ihr die Verzweiflung aus den Zügen gewischt, ihr die Würde wiedergegeben. Ihr Gesicht sah zufrieden aus, fast glücklich und um Jahre jünger. »Ich kann kaum glauben, was Ihr mir da erzählt. Ich kann nicht fassen, dass ein Mensch so skrupellos sein kann.«
»Es ist aber so.« Die Stimme Magdalenas brach fast. »Und er ist noch immer mein Mann. Trotz allem. Sie und ich, wir waren und sind nichts anderes als seine Gefangenen. Trotz allem, was geschah, wie kann ich so tun, als wäre er nicht mein Mann? Sie hat mir erzählt, dass Konz Jehle Thomas Leimer nach Italien verfolgt. Und sie hat mir ein Versprechen abgenommen, noch im Tod hat sie für ihn gebeten. Sie, die so sehr unter ihm gelitten hat. Vielmehr noch als ich. Ach, ich wollte, ich hätte sie retten können. Ich habe es wirklich versucht, mich mit allen meinen Kräften bemüht, zu Gott gebetet. Auch wenn es mir nicht leicht fiel, das könnt Ihr mir glauben.« Sie verstummte.
»Ich bin sicher, Ihr habt getan, was Ihr konntet. Warum macht Ihr Euch Vorwürfe? Ihr seid nicht schuld am Leid dieser Frau.« Hans Jakob von Schönau fühlte sich hilflos angesichts dieser Trauer.
Magdalena von Hausen blickte zu ihm hoch. »Wisst Ihr, ich habe sie auch lieb gewonnen in diesen Tagen. Sie war ein guter Mensch, viel tapferer als ich. Sie ist sogar gestorben für das, was sie für richtig hielt. Es hat sie ihre letzten Kräfte gekostet, zu mir zu kommen. Doch das war ihr nicht so wichtig. Sie wollte nur eines: mein Versprechen. Am Anfang war ich feige. Ich hatte Angst, mit ihr allein zu sein. Ihr Elend wühlte so vieles wieder auf. Und irgendwie fühlte ich mich auch für all das verantwortlich, was mit ihr geschehen ist. Wenn ich nur ...« Magdalena erschauderte. »Sie wollte so sehr meine Verzeihung. Dabei trug sie doch gar keine Schuld. Sie wusste doch von nichts. Sie hat ihm doch geglaubt. So wie ich. Am Ende ist sie Stück für Stück gestorben, ganz leise, bis einfach nichts mehr von ihr übrig war.«
Hans Jakob von Schönau sah, dass sie tief aufgewühlt war. Diesmal gelang es ihr nicht, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. Es war das erste Mal, dass er Magdalena von Hausen weinen sah in all den Jahren, die er sie nun kannte. Es war, als hätte die Mauer, die sie um sich aufgebaut hatte, einen kleinen Riss bekommen.
»Bitte, grämt Euch nicht so. Ich kann Frauen nicht weinen sehen.« Hilflos hob er die Hand. Er hatte Schwierigkeiten mit großen Gefühlen. Er hielt sich lieber an die praktische Seite des Lebens. »Was für ein Versprechen habt Ihr Dorothea Offenburg denn gegeben?«
Ein bitteres Lächeln spielte um Magdalenas Mund. »Ich habe ihr bei der Unsterblichkeit meiner Seele versprochen, in Italien nach Thomas Leimer zu suchen. Sie hat mir den Schwur abgenommen zu versuchen, ihn wieder auf den rechten Weg zurückzubringen. So, wie es jeder Christenmensch für einen anderen tun sollte, um seine Seele zu retten. Und ich musste ihr im Angesicht ihres Todes einen heiligen Eid leisten, alles zu tun, um zu verhindern, dass er und Konz Jehle einander etwas antun. Bis zu ihrem letzten Atemzug wollte sie ihn retten.«
»Ihr wisst, dass Ihr nicht gehen könnt.« Hans Jakob von Schönau runzelte die Stirn.
Magdalena von Hausen nickte. »Ich weiß. Noch nicht. Nicht, bis die neue Äbtissin kommt.« Sie hob den Kopf und sah ihm fest in die Augen. »Werdet Ihr mir dann helfen, mein Freund? Ich muss dieses Versprechen halten, bei der Unsterblichkeit meiner Seele. Bitte!« Flehend blickte sie ihn an.
»Verdammte Weiber«, grollte der Schönauer. Doch er spürte ihre eiserne Entschlossenheit. Sie würde einen Weg finden, dieses Versprechen einzulösen, egal wie, egal, ob er ihr half oder nicht, und egal, was es sie kostete. Da war es wohl besser, er versprach
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