Zeit des Lavendels (German Edition)
wies auf den großen, funkelnden Stein im Ring an seiner Hand.
Cajetan von Thiene runzelte die Stirn. Der Kardinal hatte eine gefallsüchtige, eitle Seite, die ihm missfiel. Dann nickte der Generalpräpositus dem Freund zu. »Er hat Latrinen geleert, Fußböden geschrubbt, die Tiere gefüttert — immer ohne Murren. Doch danach stellte er den Dreck und die Blasen an seinen Händen ein wenig zu offensichtlich zur Schau. So habe ich ihn schließlich der Obhut unseres Bruders Stefano übergeben, der die Aufsicht über den Garten führt. Bruder Stefano ist zwar kein Geistesriese, doch das Gemüse und die Blumen in den Beeten gedeihen unter seinen Händen fast wie Unkraut. Es ist, als brauche er eine Pflanze nur zu berühren, und schon beginnt sie zu wachsen und sich auszubreiten, als wolle sie dem Bruder einen ganz persönlichen Gefallen tun. Aber auch Stefano hat bisher keinen Zugang zu Benediktus gefunden. Der Mann ist einfach undurchsichtig. Er tut, was von ihm verlangt wird. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass es ihm dabei an etwas fehlt. Vielleicht ist dieses Etwas jene selbstlose, selbstvergessene Liebe des wahrhaft Demütigen.« Cajetan von Thiene zögerte. Dann sprach er weiter: »Seit drei Wochen wird Benediktus neben der Gartenarbeit nun auch im Dienst an den Kranken im Spital eingesetzt. Hier ist es ähnlich. Er wäscht und verbindet die eitrigen, stinkenden, schwärenden Wunden dieser armen Menschen, wie ihm geheißen wird. Es ist ihm kein Widerwille anzumerken, aber auch keine Anteilnahme. Er geht mit Menschen um wie mit einem kaputten Schemel oder einem Loch im Gewand. Scheinbar interessiert und dennoch völlig unbeeindruckt, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Nie habe ich eine Träne des Mitleids oder auch nur eine Regung der Anteilnahme in seinem Gesicht gesehen.« Cajetan von Thiene seufzte.
Kardinal Carafa nickte nachdenklich. »Vielleicht solltet Ihr diesen Bruder Benediktus etwas mehr in Eure Nähe holen, vielleicht ändert sich diese Haltung, wenn er Aufgaben bekommt, die seinen Gaben entsprechen, und wenn er in Euch ein gutes Vorbild hat. Er hat einen wendigen Geist, schreibt inzwischen brauchbares Latein, kann rechnen, und ist nach diesem guten Jahr auch des Italienischen fast fließend mächtig. Meint Ihr nicht, teuerster Generalpräpositus, dass jeder Mann grundsätzlich so eingesetzt werden sollte, dass er Gott mit seinen besten Gaben dienen kann? Weder der Stall noch die Küche, noch der Garten, noch das Spital scheinen den Talenten dieses Bruders zu entsprechen.«
Cajetan von Thiene hörte den versteckten Tadel wohl, der in Carafas Stimme mitschwang. Außerdem meldete sich sein Misstrauen wieder. Wollte der Mann, den er für einen Freund hielt, ihm etwa einen Spion wie eine Laus in den Pelz setzen? Doch es galt, die Verdächtigungen wohl abzuwägen. Vielleicht tat er dem Kardinal Unrecht. »Etwas in mir sträubt sich dagegen, diesen Mann mit so wichtigen Dingen wie der Verwaltung des Ordenshauses oder der Korrespondenz zu betrauen. Das ist eine Vertrauensstellung. Und so, wie der Bruder die Salatpflanzen hackt, ist es vielleicht besser, ihm nicht allzu sehr zu vertrauen.«
Doch Carafa blieb hartnäckig. »Jedenfalls verdient Benediktus auch diese Möglichkeit, sich zu beweisen. Er hat sich nichts Greifbares zu Schulden kommen lassen. Versucht es doch, ehe Ihr ein abschließendes Urteil fällt. Schon, um mir endlich etwas Konkretes über diesen Mann mitteilen zu können.«
Der Generalpräpositus gab auf. Der Kardinal schien großes Interesse an diesem Bruder zu haben. Er würde dafür sorgen, dass Benediktus nur Unverfängliches in die Hände geriet. Er nickte dem Mann an seiner Seite zu. »Gut, wenn Ihr es so wollt, werde ich es tun. Männer mit seiner Bildung klopfen nicht jeden Tag an die Türe der Theatiner. Und auch ein Haus der Demut und der Bescheidenheit muss verwaltet werden.«
19
W enn Katharina das Heimweh nach Seggingen packte, ging sie auch während ihres zweiten Exils in der Stadt immer wieder ins Basler Münster. Es gab dort einfach so viel, das sie an die Heimat erinnerte. Zum Beispiel das Grab des Reformators Johannes Hüßgen, der als Geistlicher Rat in Basel gewirkt hatte und dort unter dem Namen Oekolompad beerdigt worden war. War er doch der viel zu früh verstorbene Mann der Segginger Schultheißtochter Wibrandis Rosenblatt gewesen, die sie so bewundert und vor vielen Jahren einmal kennen gelernt hatte.
Katharina liebte schon den Weg aus der
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