Zeit des Lavendels (German Edition)
Narren an der wissbegierigen Katharina gefressen. Das ständige Lernen half ihr auch, sich abzulenken, nicht an Konz zu denken. Und nicht an das, was sie ihm und sich und den Kindern mit ihrer bodenlosen Verblendung angetan hatte. Der Albtraum, der täglich in ihrem Inneren tobte, wollte einfach nicht aufhören.
Seit dem Kampf zwischen Thomas Leimer und Konz Jehle vor mehr als zwei Jahren in Basel und seinem Verschwinden hatte sie nun nichts mehr von ihrem Mann gehört. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wo er hingegangen sein mochte. Sie hatte Sehnsucht nach ihm, wollte ihn in die Arme nehmen, ihn um Verzeihung bitten, ihm erklären, dass sie nun endlich wisse, wie dumm sie gewesen war. Er hatte so selbstverständlich zu ihrem Leben gehört, immer bereit sie zu stützen und zu halten, dass sie erst begriff, was sie verloren hatte, als er nicht mehr da war. Es war eine ständige, stumme Trauer, eine nie enden wollende Sehnsucht, die sie Tag und Nacht begleitete. Manchmal träumte sie von ihm, von ihrem kleinen Haus in der Nähe der Holzbrücke am Rhein in Seggingen, in dem längst andere Menschen lebten. Hin und wieder waren die Träume so lebendig, dass sie jede Pore seines Gesichtes genau sah, ebenso wie den warmen Blick in seinen braunen Augen, die breiten Schultern, das Bäuchlein, das sich langsam bildete. Dann drehte sie sich im Halbschlaf auf ihrem Lager herum und breitete die Arme weit aus, um ihn darin aufzunehmen. Doch wenn sie endgültig aufwachte, waren ihre Arme leer.
Sie wusste nun, woher sie kam, wer ihre Eltern waren. Doch Konz hatte ihr ein Zuhause gegeben. Ohne ihn fühlte sie sich wie ein Kind in der Nacht, das einsam umherirrte. Katharina liebte dieses bunte, widersprüchliche Basel. Doch es erschien ihr immer wie eine Übergangsstation, kein Ort, an den sie gehörte. Immer, wenn Briefe von Magdalena von Hausen die Familie erreichten und Genoveva ihr daraus vorlas, wurde Katharina sehr still und hatte mehr als einmal Tränen in den Augen.
Die Veränderung kam unerwartet einige Monate später und wieder einmal mit einem Brief aus Seggingen. Er brachte gute Nachrichten.
An meine liebste Schwester und meine Freundin Katharina,
endlich kann ich Euch die frohe Botschaft bringen, auf die wir alle schon so viele Jahre sehnsüchtig warten. Agatha Hegenzer von Wasserstelz ist endlich in Seggingen eingetroffen. Allerdings hat der gegenwärtige Papst ihr den Dispens noch immer nicht erteilt, der sie vom Gelübde und Dienst bei den Dominikanerinnen entbindet. Doch Bischof Christoph Metzler hat endlich dem berechtigten Drängen des Großmeiers und Verwalters des Stiftes, Hans Jakob von Schönau, nachgegeben und ihr den Einzug in die Stadt und die Übernahme der Stiftsgeschäfte gestattet. Der Schönauer hatte ihn immer wieder bestürmt. Er sah sich nicht in der Lage, den jungen Stiftsdamen, die in den vergangenen Jahren an unsere Türe klopften und um Aufnahme baten, die ihnen gemäße Erziehung zu geben. Auch der kaiserliche Rat Melchior von Hegenzer hat immer wieder das ganze Gewicht und die ganze Autorität seiner Stellung in die Waagschale geworfen, die sich dadurch immer weiter zu Gunsten seiner Schwester senkte.
Es ist so ein Glück, sie hier zu haben. Nach den schweren Hungerjahren braucht das Stift endlich wieder eine weibliche, führende Hand, eine, die seelische Wunden heilt und den Menschen Hoffnung gibt. Und vielleicht ist es auch für den Hegenzer nicht ganz ohne Vorteil, wenn er Fakten schafft. Vielleicht traut er dem neuen Heiligen Vater in Rom nicht so recht. Doch was auch immer die Überlegungen des ehrwürdigen kaiserlichen Rates gewesen sein mögen, die Oberin des Klosters Katharinental ließ Agatha Hegenzer von Wasserstelz endlich ziehen.
Sie kam still, in aller christlichen Bescheidenheit, nicht im Gewand einer Fürstin, sondern im Kleid einer einfachen Dominikanerin. Wir, die wir so lange auf sie gewartet hatten, konnten unsere Freude nur in einem kleinen, einfachen Gottesdienst im Hause des Heiligen Fridolin teilen und dem Herrn für ihre Ankunft danken. Erst wenn der Dispens kommt, werden wir unsere jubelnden Gebete des Dankes für alle Welt vernehmbar zum Herrn schicken. Erst dann können wir die Boten in alle Himmelsrichtungen aussenden, damit die Christen erfahren, dass Seggingen eine neue Äbtissin hat.
Liebste Schwester, vertraute Freundin, nun erst kann ich meine Verantwortung völlig und frohen Herzens abgeben. Stunde um Stunde danke ich dem Herrn im
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