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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Augustinergasse hin zum Münster. Sie fand sich nach den fast drei Jahren, die ihr zweiter Aufenthalt . in Basel nun schon dauerte, inzwischen ohne Probleme zurecht und fühlte sich sicher. Besonders freute sie sich immer auf den Anblick des neueren, südlichen Martinsturms. Er war um die Jahrhundertwende vollendet worden.
    Doch auch der Münsterplatz war ein Erlebnis. Er bot die Bühne für reiche Handwerker mit pelzverbrämten, puffärmeligen Jacken, die ihre Schultern aussehen ließen, als wären sie aufgeblasen. Da waren feine Damen mit ihren Zofen und Schoßhündchen unterwegs, die verzweifelt versuchten, den Urin- und Kotpfützen auszuweichen, wenn sie denn schon laufen mussten. Dazwischen boten fliegende Händler Kräuter oder Nadel und Faden feil. Sie begegnete Topfschleifern und Kesselflickern. Devotionalienhändler boten neben Bildbeschreibungen des Lebens des heiligen Franziskus von Assisi auch den bis ins Detail in Kupfer gestochenen oder in Holz geschnittenen Feuertod der Jungfrau von Orleans an. Daneben hatte mancher noch eine geheime Lade. Hin und wieder wurde ein Passant verschwörerisch hinter die nächste Hausecke gezogen. Das Angebot: garantiert echte Zähne der heiligen Barbara oder die Hautkuppe des Kräuterdaumens der Hildegard von Bingen. Für Katharina hatte dieser allerdings eher ausgesehen wie ein Stück einer mumifizierten Schweinezitze.
    Basel war überhaupt eine aufregende Stadt. Das empfand die junge Frau immer wieder. Protestantische Flüchtlinge aus Frankreich und aus Italien fanden hier Aufnahme. Viele davon kamen ins Haus der Rischachers. Lange Gespräche, ernste Gesichter, aber auch Lachen erfüllten die Räume des Hauses in der Augustinergasse. Die Protestanten wurden im toleranten Klima des freien Basel nicht behelligt. Jeder konnte glauben, was er wollte. Zumal die Fremden auch Geld in die Stadt brachten sowie die Techniken der Seidenbandweberei und des Stofffärbens, mit denen die Stadt zu Reichtum gekommen war.
    Doch Basel war für Katharina noch mehr. Die 1460 gegründete Universität zog sie magisch an. Dort hatte einst der Medicus Theophrastus von Hohenheim gelehrt, besser bekannt unter dem Namen Paracelsus, der schließlich nach einem Streit mit der medizinischen Fakultät erbost den Staub des Basler Bodens von seinen Füßen geschüttelt hatte. Auch die Toleranz der Basler hatte Grenzen. Paracelsus hatte sich für das bodenständige Stadtvolk doch zu sehr von der traditionellen Medizin abgewandt. Solche Methoden wie das Aufschneiden von Toten billigten sie nicht. Neues war zwar immer willkommen — aber nur in Maßen und solange es sich einbinden ließ in die überkommene Ordnung und Geld brachte. Doch immerhin hatte die Stadt seinen Bemühungen eine ganze Anzahl gut ausgebildeter Ärzte zu verdanken.
    Auch sonst hatte Paracelsus seine Spuren hinterlassen. Dazu gehörten jene Unbelehrbaren, die seinen wissenschaftlichen Gedanken weiter folgten, Menschen, die Katharina ebenfalls im Hause der Rischachers traf. Sie konnte nicht studieren. Aber sie konnte lernen. Wie ein Schwamm saugte sie jeden Brocken an Information in sich auf, den sie zum Thema der Heilung finden konnte, diskutierte oft stundenlang über die richtige Form eines chirurgischen Eingriffs oder die Wirkung mancher Kräuter aus der Apotheke Gottes. Auch die präparierten Skelette des Brüsseler Arztes Andreas Vesalius sorgten für Gesprächsstoff. Das waren ganz neue, aufregende Ansichten des menschlichen Körpers, die er da in seiner anatomischen Sammlung bot. Obwohl sich selbst mancher der Freidenker nicht so sicher war, ob Gott es gutheißen könne, wenn jemand ihm so ins Handwerk pfuschte. Der Tod gehörte zum Leben, wartete hinter jeder Straßenecke, war eigentlich nichts Besonderes. Aber Tote gehörten auch ordentlich und christlich begraben — und nicht auseinander gerupft, geschält wie eine Zwiebel und in Einzelteilen in Spiritus gelegt. Doch da es zumeist die Leichen der Ärmsten der Armen waren, die der Medicus aus Brüssel für gutes Geld kaufte und präparierte, erschöpfte sich der Widerstand in lahmem Protest und einem wohligen Gruseln.
    Und noch einen Freund hatte Katharina in diesen Jahren des Exils in Basel gefunden. Einen, der sie mit dem so schwer erhältlichen, niedergeschriebenen Wissen, mit Büchern, versorgte — Thomas Platter, der einstige Geißhirte aus Grächen, der zum Buchdrucker geworden und schließlich zum ersten Rektor der Basler Lateinschule aufgestiegen war. Er hatte einen

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