Zeit des Lavendels (German Edition)
Stillen, dass er doch noch alles zum Guten wendete. Endlich muss ich mir nicht mehr in jeder wachen Stunde zum Vorwurf machen, was ich den Menschen dieser Stadt antat, als ich Thomas Leimer heiratete. Dank der Nachsicht und der Liebe des Herrn kann ich ihnen wieder in die Augen sehen. Denn er hat ihnen in seiner Weisheit eine gute Führerin und Lehrerin gegeben. Die neue Fürstäbtissin des Stiftes mag manchmal etwas herb und abweisend wirken. Doch sie ist eine Frau mit klarem Verstand, der dennoch ihre warmen Gefühle nicht erstickt.
Auch ich habe von ihr nichts als Güte und Verständnis erfahren. Als ich ihr schilderte, wie sehr ich trotz all der Ämter, die ich nach wie vor versehe, eine Gefährtin, eine Vertraute vermisse, da erlaubte sie, dass Katharina zurückkehrt. Sie sprach mir aber ernsthaft ins Gewissen, mahnte mich, die Ereignisse und Gerüchte um Katharina nicht zu vergessen, die dich, liebste Freundin, beinahe das Leben gekostet hätten. Sie legte dar, wie wichtig es gerade in der momentanen, noch nicht gesicherten Situation für Stift und Gotteshausleute ist, dass der Frieden in der Stadt bewahrt bleibt. So wirst du, liebste Freundin, dich anfangs sehr im Hintergrund halten müssen.
Doch du kommst in eine veränderte, glücklichere Stadt. Die Menschen haben wieder Hoffnung geschöpft, richten sich langsam wieder auf aus all dem Tod, der Not und dem Elend, das sie so lange niederdrückte. Die Ernte dieses Jahres 1552 verspricht, gut zu werden. Die Freude hat Einzug gehalten in den Herzen der Menschen an jenem Tag, als die neue Äbtissin kam. Denn die seit hunderten von Jahren überkommene, gute Ordnung ist wiederhergestellt. So bestellten sie ihre Felder mit Frieden im Herzen. Die Angst und die Unsicherheit sind überwunden. Sie atmeten wieder freier in den sonnigen Frühlingstagen dieses Jahres. Und sie segneten die folgenden, warmen Sommertage, die die Trauben und das Korn reifen ließen. Der Salm ist gut gestiegen, die Küchen und Keller füllen sich. Noch lagert nicht viel auf den Speichern und in den Kellergewölben. Doch es ist ein Anfang, gesegnet mit den Gaben aus dem unermesslichen Füllhorn der Güte des Allmächtigen.
Diese Gaben schüttet er selbst über die niedrigsten unserer Mitkreaturen aus. Die Tiere werfen gesunde Junge. Und nur wenige Kälber und Zicklein starben bisher in diesem Jahr, in dem die neue Äbtissin kam. Auch ist noch jede Frau in den letzten Monaten gesund aus dem Kindbett wieder aufgestanden. Es gab nur eine Totgeburt. Es ist also eine Zeit des Neuanfangs, des wieder erwachenden Lebens. Die finsteren Mächte sind besiegt. Und dieser Gedanke war es, liebste Katharina, der Agatha Hegenzer dazu bewegte, deiner Heimkehr zuzustimmen, die du gewiss ebenso sehnlichst erwartest wie ich. Komm also, so schnell du kannst.
Der Segen des Allmächtigen sei mit euch und euren Familien Magdalena,
Freiin zu Hausen
Heim nach Seggingen! Katharina bekam vor lauter Aufregung rote Wangen, als sie das hörte. Fast hätte sie vor Freude laut aufgeschrien. Endlich heim! Das war auch ein Stück weit die Heimkehr zu Konz, zu all dem, was sie so lange Zeit über geteilt hatten. Mit Tränen in den Augen hob sie die kleine Anna, ihre und Konz' kleine Tochter, hoch, die ihre Heimat noch nie bewusst gesehen hatte. Dann barg sie den Kopf an der Brust des Mädchens, das nicht verstand, was plötzlich mit der sonst so stillen Mutter geschehen war.
»Wir dürfen heim«, flüsterte Katharina glücklich.
»Heim?«, echote Anna.
»Ja, Kind, heim«, jubelte Katharina.
Der kleine Thomas stand staunend daneben. So froh hatte er seine Mutter schon lange nicht mehr erlebt. Auch wenn er sich nicht mehr so recht an das erinnern konnte, was sie »Heim« nannte. Doch wenn sie das so glücklich machte, dann war er es auch. So ergriff er ihre freie Hand und schließlich tanzte Katharina, lauthals lachend vor Freude, durch die Rischacher'sche Küche. Die kleine Anna wand sich in ihren Armen. Sie wollte endlich dem festen Druck der Mutter entkommen und wieder auf den Boden gestellt werden. Thomas stolperte fast über seine Füße, als er versuchte, den Tanzschritten der Mutter zu folgen. Genoveva lachte mit und klatschte den Takt dazu.
So fand sie der Rischacher, der gerade mit seinen Buben vom Fischen am Rhein heimkam. »Na, das ist ja eine schöne Bescherung«, polterte er gutmütig lachend los, während die vier Rischacher-Buben wie die Orgelpfeifen mit offenen Mündern dabeistanden. »Wenn die
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