Zeit des Lavendels (German Edition)
angeliefert. Die Menschen arbeiteten auf anderen Baustellen. Die Steine wanderten in die Mauern anderer Häuser. Wirklich, ein gutes Geschäft. Und es würde noch lange so gehen, sie alle reich machen, ihm endlich den Stand in dieser Welt verschaffen, nach dem er sich sehnte, der ihm gebührte.
Er sah die zierliche Frauengestalt im dunklen Übergewand nicht. Sie hatte das Gesicht hinter einem Schleier verborgen und näherte sich langsam der Baustelle. Er bemerkte nicht, wie sie plötzlich zur Salzsäule erstarrte, als sie seiner ansichtig wurde. Sah nicht, wie sie sich dann hastig umsah und schnell wie ein Schatten hinter einem Stapel aus Steinblöcken verschwand, mit den dunkeln Konturen verschmolz, die der Haufen im Sonnenlicht auf die Erde warf.
Kurz darauf zuckte die Gestalt ein zweites Mal zusammen. Magdalena von Hausen bekam fast einen Magenkrampf. Heilige Jungfrau Maria! Da drüben, nur wenige Meter entfernt, arbeitete ein Mann, der sah aus wie Konz Jehle. Doch, er musste es sein. Sie hätte ihn fast nicht erkannt. Der dunkle Bart war grau vom Steinstaub, die Haare hingen ihm ungepflegt und lang über die Augen. Er beugte sich tief über die Steine. Doch einmal blickte er auf. Da sah sie seine Augen und der letzte Rest an Verunsicherung schwand. Es war der Sohn des Gehenkten, ohne jeden Zweifel. Und sein Blick war dunkel vor Hass und Qual. Magdalena bekreuzigte sich.
Dann fing sie sich wieder. Gott sei Dank waren sie noch rechtzeitig gekommen, um das Schlimmste zu verhindern. Beide Männer wirkten gesund und munter. Leimer schien von der Gegenwart des Mannes aus Seggingen nicht einmal etwas zu ahnen. Noch war es also nicht zu spät. Noch konnten Katharina und sie verhindern, dass sich die Männer gegenseitig etwas antaten. Wie das gelingen könnte, wusste sie noch nicht. Doch Magdalena vertraute auf Gott. Er würde sie auch in dieser Sache auf den rechten Weg bringen und ihre Schritte leiten.
Konz Jehle beobachtete Thomas Leimer schon eine ganze Weile. Der Steinstaub bedeckte ihn von Kopf bis Fuß. Er hatte den Kopf über einen Granitquader gesenkt, auf den er mit wilden Schlägen einmeißelte. Nur hin und wieder wanderten seine dunklen Augen verstohlen zu dem Theatinermönch, der anscheinend geschäftig und genau zählte und die kontrollierten Mengen in unendlichen Reihen auf seinem Pergament eintrug. Seit Wochen folgte er ihm nun, immer auf der Suche nach einer Gelegenheit, diesen Mann endlich zu stellen, herauszufinden, warum er sein Leben, seine Familie zerstört und ihn auf diese lange Reise gezwungen hatte. Anfangs hatte er gefürchtet, Thomas Leimer könne ihn erkennen. Doch die Sorge war unbegründet gewesen. Leimer interessierte sich nicht für einfache Arbeiter. Auch wenn er sich jetzt Bruder Benediktus nannte.
Allerdings war es nicht einfach gewesen, Giovanna klarzumachen, warum er unbedingt beim Bau des Petersdomes mitmachen wollte. Es war jedenfalls besser, wenn sie den wahren Grund nicht erfuhr.
»Warum musst du unbedingt so schwere Arbeit tun? Genügt es dir nicht mehr, dich auf dem Markt zu verdingen und bei den Wirten zu arbeiten?« Sie hatte ihn misstrauisch gemustert. »Willst du mich am Ende gar verlassen? Fort von mir gehen?« Tränen stiegen in ihre Augen. »Du weißt, dass ich dich zu meinem Schutz brauche. Lass mich also nicht im Stich.«
Giovanna sprach nie von ihrer Liebe zu ihm. Doch er ahnte, was sie empfand. Wenn sie ihn so anschaute, wie ein kleines hilfloses Mädchen vertrauensvoll vor ihm stand, dann wurde Konz das Herz schwer. Er wusste, er würde sie eines Tages verlassen. Sobald die Stunde der Abrechnung mit Thomas Leimer gekommen war. Es tat ihm in der Seele weh, sie so täuschen zu müssen. Doch sie würde ihn niemals freiwillig gehen lassen. So hilflos sie auch manchmal wirkte, Giovanna hatte während ihres harten Lebens auf der Straße vieles gelernt, kannte jeden Trick. Nicht, dass er Angst vor dem hatte, was sie tun könnte. Aber er respektierte sie. Er wollte ihr nicht noch zusätzlich wehtun müssen.
Also hatte Konz als Antwort auf ihre Fragen den Kopf geschüttelt. »Nein, das ist es nicht. Es gibt einiges in meinem Leben, was ich mit meinem Gott noch ins Reine bringen muss. Es ist meine Art Buße zu tun, indem ich die Steine schleppe und behaue, die einmal aller Welt von seiner Macht künden werden.«
Giovanna hatte ihn forschend gemustert. Ihr Instinkt sagte ihr wohl, dass hier etwas nicht stimmte. Doch Konz erwiderte ihren Blick ruhig.
Und irgendwann
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