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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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künftiges Schicksal entscheiden würde — hier, in dieser fremden, brütend heißen, stinkenden und doch erstaunlichen Stadt.
    Magdalena von Hausen sehnte sich mit jeder Faser ihres Herzens danach, zu beten. Den Allmächtigen um Kraft zu bitten für die schwere Aufgabe, die vor ihnen lag. Für sie kam dafür nur ein Ort infrage: der neue Petersdom, dessen Grundstein Papst Julius II. vor nun fast 50 Jahren gelegt hatte und der immer noch nicht fertig war. Errichtet auf dem Grab des heiligen Petrus, des obersten aller Menschenfischer, und an der Stelle einer Jahrhunderte alten Basilika, die einst auf einem heidnischen Friedhof entstanden war. Seit einigen Jahren war der berühmte Michelangelo dort Baumeister, damit beauftragt, den Zentralbau mit der hohen Kuppel zu vollenden. Dort würde sie Gott am ehesten finden, inmitten all dieser zu seinen Ehren werkelnden und schwitzenden Menschen. Gleich am nächsten Tag v::lite sie sich auf den Weg machen. Sie bat Katharina, mit i n zu kommen.
    Doch diese = _hüttelte nur müde den Kopf, die Linien an ihren Mundwinkeln wurden tiefer. »Ihr könnt Euch besser verständigen als ich, das habe ich schon gleich bei der Ankunft gemerkt. Mein Latein ist lange nicht so gut wie Eures. Jeder hat sofort begriffen, was Ihr sagtet, als wir ankamen.« Es klang fast wie eine Ausrede.
    »Katharina, ich hätte Euch gerne dabei.« Magdalena von Hausen wollte nicht so schnell aufgeben.
    Die junge Frau senkte die Augen. »Bitte, lasst mich hier. Ich bin so unendlich müde. Ich muss Kraft schöpfen«, erwiderte sie. »Ich brauche einfach einige Stunden Ruhe. Die kann ich nicht auf einer Baustelle finden, und sei sie noch so gottgeweiht.«
    So ging Magdalena von Hausen am nächsten Morgen allein zum noch unfertigen Petersdom. Ihre einsame Gestalt mit dem dunklen Schleier vor dem Gesicht und im einfachen, schwarzen Gewand der Stiftsdamen aus Seggingen verschmolz mit den Schatten in den römischen Gassen.

22
    T homas Leimer blickte zufrieden auf sein Pergament. Der Lärm der Steinhauer, das Gebrüll der Zimmerleute beim
    Gerüstbau, das Holpern der Pferdekutschen, die die Dombaustelle passierten, das Gelächter der vorbeigehenden Menschen, das ganze Chaos, in dem er stand, drang kaum in sein Bewusstsein vor. Er sah die Gruppe wichtig aussehender Männer nicht, den Gewändern nach alles Kleriker, die lebhaft das diskutierten, was vom neuen Petersdom schon zu sehen war. Die Arbeiter waren gerade dabei, die ersten Vorbereitungen für den Bau der großen Kuppel zu treffen. Die alte Basilika würde bald völlig vergessen sein, aufgehen in diesem großen, der Ehre Gottes und der Macht der Päpste geweihten Bauwerk. Die künftige, grandiose Pracht und Größe dieses monumentalen Baus der Christenheit zeichneten sich schon deutlich ab. Noch gab es nur Pläne für die große Kuppel, die den gedrungenen Bau einst krönen würde.
    Doch. der verzückte Blick Thomas Leimers war nicht auf das Jenseits, auf die dem Himmel geweihten, steinernen Visionen gerichtet. Seine Träume waren anderer Art. Sie manifestierten sich in den dürren Zahlenreihen vor seinen Augen. Er sah nur kurz auf, als ihm einer der Steinmetze, ein korpulenter Mann mit listigem Blick, im Vorbeigehen auf den Rücken klopfte. Sie nickten einander in stillem Einverständnis zu. Der Mann und der Mönch hatten beide das gleiche Ziel. Beide arbeiteten intensiv daran, dass der himmlische Reichtum auch ihre irdischen Säckel füllen möge. Dem unbedarften Auge enthüllten diese Zahlen nichts. Sie gaben Mengen wieder. Hinter ihnen verbargen sich Menschen, Steine, Holz, eben all das Baumaterial und die Arbeitskraft, die für dieses gigantische Werk benötigt wurden. Wer würde in diesem unübersehbaren Heer von Arbeitern schon erkennen, dass es einige von ihnen nur auf dem Papier gab? Wer konnte schon all die Steinquader zählen und feststellen, dass es weniger waren, als auf Thomas Leimers Liste standen? Selbst der große Baumeister Michelangelo Buonarroti mit seinem scharfen Blick kannte nicht alle, die hier beschäftigt waren, das hatte Leimer schnell herausgefunden. Wie sollte er auch? Die Arbeiter wechselten häufig. Der Bau des Domes versprach jedenfalls ein gutes Geschäft zu werden, zumindest für jene, die sich zu helfen wussten. Hier ein Arbeiter mehr, dort einige Steine oder etwas Holz weniger — alles bezahlt vom Ablassgeld gequälter, sündiger Seelen, vom Zehnten unzähliger Menschen im ganzen Heiligen Römischen Reich und doch nie

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