Zeit des Lavendels (German Edition)
Einzelheiten ausgemalt, ebenso wie mein gemeinsames Leben mit ihm. In den Nächten war ich seine Frau. Während der Tage einfach Katharina. Die Katharina, die andere Kinder tröstete und nicht ihr eigenes. Die Katharina, die den Mann einer anderen Frau versorgte und nicht ihren eigenen. Die Katharina am Tage gab es eigentlich nicht. Die richtige, das war die Katharina der Nächte.
So machte ich mir nicht klar, was die Tage eigentlich bedeuteten. Bis zu jenem Tag, als der Brief von Magdalena von Hausen kam. Für Thomas Rischacher und seine Frau Genoveva war es eine gute Nachricht. Sie löste Jubel aus. Genoveva lief tagelang singend durch das Haus. Und Thomas Rischacher rieb sich immer wieder die Hände und murmelte liebevoll: »Sie ist doch ein tolles Weib!« Für mich war der Brief der Tod.
Dabei hätte auch ich mich freuen sollen. Doch da ich nicht von Thomas Leimer erzählen konnte, bemühte ich mich über Tage hinweg so zu tun, als wäre auch ich glücklich. Der Inhalt des Briefes war bei Lichte besehen wirklich unglaublich. Ich hätte Magdalena von Hausen wahrscheinlich bewundert, wenn er nicht eines bedeutet hätte: Ich musste weg aus Basel. Zurück nach Seggingen. Denn es gab keinen, nicht mehr den geringsten Grund, warum ich nicht ins Stift hätte zurückkehren sollen. Magdalena hatte auf der ganzen Linie gesiegt. Der Papst hatte ihr persönlich geschrieben, ihre Treue und Standhaftigkeit im Glauben gelobt und sie voll in ihre Rechte eingesetzt. Nun war sie uneingeschränkte Herrin über die Pfründe und Kaplaneien, Benefizien und Pfarreien des Stiftes, konnte ganz nach eigenem Belieben schalten und walten, ohne dafür vorher die Erlaubnis des Papstes einholen zu müssen. Ich konnte nur ahnen, was dies bedeutete. Jedenfalls war die Fürstäbtissin zu Seggingen nun auch offiziell eine treue Tochter der Kirche. Der Makel der Untersuchung getilgt, die sie viele Jahre zuvor beinahe das Leben gekostet hätte. Und sie hatte die Macht, ihren Glauben durchzusetzen. Langsam und stetig, mit den Menschen. Hier ein Stückchen und dort ein Stückchen. Im Sinne der Worte Luthers — und als treue Tochter der Kirche. Damit war auch jegliche Macht gebrochen, die Domherr Jakob Murgel jemals über sie gehabt haben mochte, die letzten Intriganten und Spione wie Konrad Besserer waren zum Schweigen gebracht. Denn der Papst hatte gesprochen. Und der Papst war unfehlbar. Damit war auch die Gefahr für mich vorbei. Die Leute hatten längst aufgehört, von der Hexe Katharina zu munkeln. Ich könne also endlich zurückkehren, schrieb Magdalena von Hausen. Sie habe mich schmerzlich vermisst. Von ihrer Schwester wisse sie, wie viel ich in den Monaten in Basel gelernt habe. Sie brauche dringend Hilfe beim Verfassen von Dokumenten und bei noch so vielem mehr. Außerdem habe ihr ihre kleine Freundin Katharina sehr gefehlt.
Ja, ich hätte mich freuen sollen. Doch ich fühlte nichts als Leere. Genoveva sah mich eines Tages weinen. Die Tränen rannen mir übers Gesicht. Sie nahm mich schweigend in den Arm, dachte wohl, mir fiele der Abschied schwer. Doch so sehr ich sie auch liebte, dieses andere Gefühl nahm mich völlig gefangen. Daneben war kein Raum mehr für andere Empfindungen. Ich wusste, ich musste gehen. Und würde Thomas Leimer nie mehr wieder sehen. Denn er dachte gar nicht daran, von Heirat zu sprechen. Er dachte auch nicht daran, mich zu bitten, bei ihm zu bleiben. Ich hätte auch das getan.
Zum Teufel mit der Schande. Meine Scham war längst zum Schweigen gebracht.
Als Thomas Rischacher ihm von dem Brief aus Seggingen erzählte, freute er sich ganz natürlich mit der Familie über diesen Erfolg. Nur ich sah das seltsame Glitzern in seinen Augen, als sie ihm von der bewundernswerten Magdalena von Hausen erzählten. Damals wusste ich es nicht zu deuten. Heute weiß ich, was es besagte.
Und so stieg ich zwei Wochen später wieder in die Kutsche. Konz Jehle war gekommen, um mich abzuholen. Ich hatte Thomas Leimer nicht mehr wieder gesehen. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Er hatte nichts zurückgelassen von sich. Nur meine Sehnsucht blieb.
7
K onz Jehle betrachtete das stille Mädchen neben sich. Seine Freundin Katharina war noch nie sehr schwatzhaft gewesen. Das war eines der Dinge, die er an ihr mochte. Doch diese hier war eine ganz andere Katharina als jene, die er vor fast genau einem Jahr in Basel abgeliefert hatte. Auf jeden Fall war sie eine Schönheit geworden, eine Frau, nach der sich jeder Mann umdrehte. Doch
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