Zeit des Lavendels (German Edition)
ihre Miene blieb steinern, undurchdringlich, verriet keinen der Gedanken, die sich hinter ihrer Stirn bewegten. Mein Gott, wie hatte er sich gefreut, sie wieder zu sehen. Das Stift ohne Katharina war einfach nicht mehr dasselbe. Eigentlich galt das für alles. Und nun saß sie hier neben ihm, scheinbar völlig unberührt vom Rumpeln des Zweispänners.
Konz fluchte. Die Straße von Basel nach Seggingen war weiß Gott nicht die beste. Aber immer noch besser als der mit Löchern übersäte Trampelpfad, der nach Waldshut führte.
Konz seufzte noch einmal. Katharina sah zu ihm hinüber. Zum ersten Mal schien sie ihn richtig wahrzunehmen. Zumindest sahen ihre Augen aus, als würden sie ihn diesmal richtig sehen. Da war wieder eine Andeutung des alten, übermütigen Funkens, diese Neugier aufs Leben, die dieses Mädchen so lebendig gemacht hatte. Doch es kam nur ein kurzes trauriges Lächeln, dann senkte sie die Lieder.
Mein Gott im Himmel, was hatten sie in Basel nur mit dieser temperamentvollen, neugierigen jungen Frau gemacht? Wo war nur Katharina geblieben? Diese hier war eine schöne Statue, kalt, abweisend und anscheinend unsagbar traurig. Da stimmte etwas nicht. Da stimmte etwas ganz entschieden nicht. Er würde ihr Schweigen einfach nicht mehr länger akzeptieren. Sie musste ihm sagen, was geschehen war. Diese Schicht aus Eis, die sie umgab, war unerträglich.
»Katharina?« Er zögerte.
»Was ist, Konz?«, fragte sie ruhig.
»Sag mir, was haben sie mit dir gemacht? Ich kenne dich überhaupt nicht wieder. Schön, du bist erwachsener geworden. Aber so erwachsen! Hat dir jemand etwas getan, ist etwas Schlimmes passiert? Bei Gott, ich hacke jeden in Stücke, wer immer dir das auch angetan hat ...«
Sie schüttelte den Kopf, ein kleines Lächeln hob ihre Mundwinkel ein wenig. »Nein, mir hat niemand etwas angetan. Ich bin nur traurig, dass ich Basel verlassen muss. Ich war so gern bei den Rischachers und habe auch die Buben sehr lieb gewonnen.« Sie verstummte.
»Katharina, du würdest es mir doch sagen, wenn du Probleme hättest?«
Sie nickte, sagte aber nichts. Für zwei weitere lange Stunden.
Konz atmete auf, als die Kutsche endlich über das Kopfsteinpflaster der Steinbrücke rumpelte. Diese neue Katharina, neben der er da seit Stunden auf dem Kutschbock saß, verunsicherte ihn. Er wusste nicht weiter. Aber er wusste, dass da etwas ganz entschieden nicht in Ordnung war. So sehr veränderte sich kein Mensch in einem Jahr. Katharina lächelte, als die Kinder sich lärmend um die Kutsche gruppierten, um zuzusehen, wer denn da angekommen war. Drei kläffende Hunde hatten sich dem Zug ebenfalls angeschlossen.
»Ein passender Empfang für Katharina den Bankert«, dachte sie. Doch die alte Bitterkeit stellte sich nicht wie gewohnt ein. Sie war überlagert von diesem dumpfen Gefühl des unwiederbringlichen Verlustes eines Teils ihrer selbst.
Mit hohem Tempo rumpelten die eisenbeschlagenen Kutschräder über den Vorplatz des Fridolinsmünsters und in den Alten Hof, um den sich die Häuser der Stiftsdamen gruppierten. Konz konnte es sich nicht verkneifen, ein wenig anzugeben. Die enttäuschten Kinder blieben zurück, konnten dem Tempo der Kutsche nicht mehr folgen. Nur die Hunde rannten weiter kläffend den Pferden zwischen die Beine. Dabei hätten die Kinder doch gar zu gerne den Empfang der verlorenen Tochter des Stiftes erlebt. Und dann gab es doch diese
Gerüchte ...
Da trat auch schon Magdalena von Hausen aus einem der kleinen, zweistöckigen Häuser, in denen die Stiftsdamen lebten. An der Hand hielt sie ein kleines, etwa zehnjähriges, schüchternes Mädchen. »Das ist Maria Jakobea von Sulzbach, sie ist seit einigen Monaten im Stift. Vielleicht wird sie ja einmal die künftige Äbtissin.« Lachend streckte sie Katharina die Hand entgegen.
Und diese konnte nicht anders, mit einem Aufschrei stürzte sie sich in die Arme der Äbtissin. Konz schwieg verblüfft, obwohl er sich eine so schöne Rede ausgedacht hatte.
»Katharina, schön, dass du wieder heimgekommen bist.« Sanft löste sich Magdalena von Hausen aus den Armen der jungen Frau, die sie da in Empfang genommen hatte, und schob sie ein Stück von sich weg. »Lass dich anschauen. Du bist ja erwachsen geworden, eine junge Frau. Aber immer noch so stürmisch wie früher. Ich muss wohl meine Schwester Genoveva rügen, dass sie dir kein geziemenderes Benehmen beigebracht hat«, schmunzelte sie.
Katharina wurde sofort stocksteif. »Verzeiht, hohe Frau,
Weitere Kostenlose Bücher