Zeit des Lavendels (German Edition)
ich werde mich künftig zurückhalten. Eure Schwester hat mir durchaus beigebracht, wie ich mich zu benehmen habe.«
»Mädchen, ich habe einen kleinen Spaß gemacht. Wo ist nur dein Humor geblieben? Ich freue mich jedenfalls sehr, dich zu sehen. Jetzt komm aber, ich zeige dir dein Zimmer. Ich habe es dir in einem der leeren Häuser der Stiftsdamen hinten im Alten Hof einrichten lassen. Wir haben ja derzeit genug dieser leeren Räume«, fügte sie traurig hinzu. »Aber du wirst sehen, auch das ändert sich, jetzt, wo du wieder da bist. Ich werde dich zu meiner persönlichen Sekretärin ernennen. Du kannst zwar nicht als Stiftsdame aufgenommen werden, aber so hast du wenigstens einen sicheren Platz im Leben. Oder hast du vielleicht in Basel einen Mann kennen gelernt, der um dich wirbt?«
Katharina wurde feuerrot. Magdalena von Hausen sah das wohl, sagte aber nichts. Dafür war später noch Zeit.
In den Wochen danach hatte Katharina alle Hände voll zu tun. Magdalena von Hausen hatte nicht übertrieben, als sie schrieb, sie brauche Hilfe. Da waren Abrechnungen zu überprüfen, Listen der gelieferten Zehntgüter durchzugehen, die Berichte aus den Dinghöfen durchzusehen, die Aufstellungen des Speicherverwalters zu kontrollieren. Magdalena von Hausen war nichts zu viel, sie kümmerte sich um alles, wusste auch über die letzte Flasche Wein und den letzten Sack Korn im Vorratsspeicher Bescheid. Nicht immer zur Begeisterung von Spichwärter Hans Köhler. Denn sie machte es ihm schwer, seinen kleinen Handel mit heimlich abgezweigten Lebensmitteln fortzusetzen. Genauer, sie machte es ihm unmöglich. Und das gefiel ihm gar nicht.
Ihm gefiel auch nicht, dass die Fürstäbtissin immer öfter dieses Mädchen schickte, diesen Bankert, um ihm ihre Botschaften zukommen zu lassen. Er misstraute dem Mädchen.
Wer war sie denn schon? Und keine Regung in ihrem Gesicht sagte, was sie dachte. Sie machte selten eine persönliche Bemerkung. Nein, Spichwärter Köhler mochte diese neuen Sitten überhaupt nicht. Wo sollte es mit dieser Welt noch enden, wenn heutzutage schon die Niedrigsten der Gesellschaft in derart hohe Stellungen aufstiegen? Er kam aus einem ordentlichen bürgerlichen Hause und hatte sich über viele Jahre hinweg hocharbeiten müssen. Katharina kam von Nirgendwo, kannte noch nicht einmal ihre Eltern. Sie war jung, hatte nichts vorzuweisen und genoss trotzdem das volle Vertrauen der Äbtissin, die sie ganz offensichtlich unter ihren Schutz genommen hatte. Da hieß es vorsichtig sein. Nach außen hin war er natürlich freundlich zu Katharina. Doch das Raunen über diese Hexe, die zudem noch in einem der Häuser lebte, die für die Stiftsdamen gedacht waren, breitete sich wieder in den Segginger Straßen und Häusern aus. Seit mehr als 600 Jahren bestand dieses Stift nun. Und wer hatte so etwas schon jemals erlebt? Ein Bankert im Haus einer Stiftsdame. Da musste etwas faul sein.
Katharina bekam auch diesmal nichts von alledem mit. Sie schrieb unzählige Briefe für Magdalena von Hausen. Jeden Tag wurde ein Bote losgeschickt. Briefe an den Domherrn Jakob Murgel, Briefe an den Abt von St. Blasien, Briefe ins Kloster Glarus, einst eine Gründung und Pfründe des Stiftes Seggingen und nun seit rund 150 Jahren unabhängig. Doch noch immer waren Glarner und Segginger in Freundschaft miteinander verbunden. Noch immer zahlten die Glarner einen ewigen Zins von 32 Pfennigen jährlich. Und dann war da auch der Schabzieger, jener würzige, mit Steinklee verfeinerte Käse, der noch immer aus dem Glarus geliefert wurde.
Und es gab noch die geheimen Schreiben, die Konz Jehle beförderte. Sie gingen an den Zürcher Reformator Bullinger, nach Wittemberg zu Luther, nach Basel zu Schwester Genoveva, nach Konstanz zum Reformator Ambrosius Blarer, nach England zu Wibrandis Rosenblatt und Martin Butzer. Es waren nicht allzu viele. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war auch so schon groß genug. Die beiden Frauen hatten sich darauf geeinigt, dass diese Schreiben immer die Unterschrift von Katharina trugen. Wie gut sie daran getan hatten, so vorsichtig zu sein, sollte sich schon sehr bald zeigen.
Anfangs war Katharina das Schreiben noch schwer von der Hand gegangen. Doch die Wochen verflossen, und ihre Schrift wurde immer klarer und auch eigenwilliger. Sie freute sich, als sie von Magdalena von Hausen schließlich für ihre Schreibkünste und für ihr ruhiges, besonnenes Wesen gelobt wurde. »Was würde ich nur ohne dich machen«, sagte die
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