Zeit des Lavendels (German Edition)
Schlag in die Magengrube für mich. Magdalena von Hausen winkte mir zu.
»Komm, Katharina. Ich möchte dir jemanden vorstellen. Kannst du dich noch an den Brief erinnern, den wir an Bullinger schrieben, nachdem die Nachricht von der Zerschlagung des Schmalkaldischen Bundes kam? Dieser Mann hier ist seine Antwort. Und ich weiß, er wird uns helfen.«
Zögernd näherte ich mich den beiden. Ich hätte alles gegeben, um. Thomas Leimer nicht von Angesicht zu Angesicht begegnen zu müssen. Ich sah genau, wie seine Augen den kleinen Jungen an meiner Hand musterten. Doch mir fiel keine gute Ausrede ein. »Mein Mann wartet auf mich«, begann ich lahm.
Doch Magdalena von Hausen ließ das nicht gelten. »Er mag noch fünf Minuten länger warten. Das hier ist jetzt wichtiger. Katharina, liebste Freundin, du musst den Mann an meiner. Seite einfach kennen lernen.«
Eine eiserne Faust zog mein Herz zusammen. Es war eine Art von Gefühl in der Stimme von Magdalena von Hausen, das ich noch nie bei ihr erlebt hatte. Ich vermochte es nicht recht einzuordnen. Sie wirkte um Jahre jünger, voller Hoffnung, fast fröhlich. Das Gefühl der Bedrohung, das mich die letzten Wochen und Monate begleitet hatte, meldete sich mit voller Wucht zurück. Ich glaube, ich wusste es schon in diesem Moment. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Alles in mir wehrte sich dagegen.
Die beiden waren inzwischen die Treppe heruntergekommen. Ich zitterte. Es bedurfte all meiner Kraft, um dem Impuls zur Flucht nicht nachzugeben. Doch ich saß in der Falle.
»Katharina, es ist mir eine große Freude, dir Thomas Lei-mer vorzustellen. Er ist ein Mann der neuen Lehre, einer, der uns wieder Mut machen wird, der es schafft, die Menschen aufzurütteln. Ach, Katharina, selbst mir, die ich eigentlich stark sein sollte, hat er wieder Kraft gegeben.«
Traut ihm nicht, Fürstin, traut diesem Mann nicht! Die Stimme in mir schrie. Doch meine Lippen blieben stumm. Ach, hätte ich damals nur gesprochen, nur ein Wort. Vielleicht wäre alles anders gekommen. So nickte ich nur stumm. In mir tobte es. Thomas Leimer betrachtete mich spöttisch. Er schien sich sogar an meiner Pein zu weiden.
»Lasst die junge Frau ziehen, Fürstin«, meinte er dann lachend. »Wir werden sicher noch genügend Gelegenheit haben, miteinander zu reden. Ihr seht doch, sie sehnt sich nach ihrem Mann. Und wer wären wir beide, wollten ausgerechnet wir zwei Liebende trennen.« Er blickte auf Magdalena von Hausen hinab und berührte ganz leicht ihren Ellbogen.
Da wusste ich es. Mit der ganzen Sicherheit, die der Schmerz gebiert. Wie ein Riss ging die Gewissheit mitten durch mich hindurch. Ich fühlte mich wie ein Kalb, das zur Schlachtbank geführt wird. Er sah mit jenem Blick auf sie hinunter, von dem ich einst gedacht hatte, er gehöre nur mir. Und sie sah mit einem Blick ihrer dunklen Augen zu ihm auf, der ihm ihre ganze Seele offenbarte. Deshalb also hatte sie mich in den letzten Tagen nicht zu sich gerufen. Thomas Lei-mer musste schon länger in der Stadt sein.
Ich spürte, wie der Hass auf diese beiden in mir hochstieg. Auf den Mann, der mich verraten hatte, der sich ohne einen Blick zurück an eine andere wandte. Und auf die Frau, die mich einst durch ihren Schutz vor Jakob Murgel und meinen kleinen Thomas vor der Schande bewahrt hatte. Ich konnte mir in den nächsten Stunden noch sooft sagen, dass sie nichts ahnte. Meine unvernünftige, gallig gelbe Eifersucht erwartete von der Äbtissin des Stiftes Seggingen, dass sie es besser wusste. Wie konnte sie nur. Diese Frau mit einem Mann wie ihm, der doch den Charakter eines Wurms hatte. Aber es war zu spät. Schon längst zu spät. Sie war ihm verfallen wie einst ich. Eingelullt und aufgeweicht von seiner schmeichelnden Redekunst, die oberflächlich den Verstand ansprach und unterschwellig alle Gefühle in Aufruhr versetzte. Ich kannte das. Mein Gott, wie gut ich das kannte.
Er hatte sich offen als Ketzer bekannt, sein schwarzes Kleid als Diakon abgelegt. Er verkörperte damit alles, was Magdalena von Hausen in ihrem gütigen Herzen an tiefen Überzeugungen barg. Doch das hier war mehr als eine Überzeugungsund eine Seelenverwandtschaft. Das waren ein Mann und ein Weib, die sich öffentlich nicht berühren konnten und sich deshalb mit ihren Blichen streichelten.
Ich murmelte etwas, wandte mich um und floh. Ich konnte den Anblick dieser beiden einfach nicht ertragen. Ich glaube, ich hätte geschrien, wäre ich auch nur einen Moment länger
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