Zeit des Lavendels (German Edition)
nun ist auch Landgraf Philipp I. von Hessen den Kaiserlichen ins Netz gegangen. Damit wurden dem Schmalkaldischen Bund die Köpfe abgeschlagen. Das Natterngezücht ist führerlos. Die Übriggebliebenen lecken ihre Wunden. Das gilt auch für die Aufrührerischen, die in der Bischofsstadt ihr gotteslästerliches Regiment führen. Denn wie Ihr wohl wisst, gehört auch Konstanz seit 1531 dem Schmalkaldischen Bund an und hat den Rebellen immer wieder Geld gesandt.
Der Herr sei gepriesen für seine Weisheit. Der Bischof bittet Euch, zur Feier der guten Nachricht eine Messe im Münster des heiligen Fridolin lesen zu lassen.
Jakob Murgel,
Domherr, im Jahre des Herrn 1547
»Das ist das Ende. Dieser Bund war die große Hoffnung all jener, die an die Verbreitung der wahren Lehre Luthers glaubten und für sie kämpften, die in Freiheit und Selbstbestimmung leben wollten. Luther hat für diese Vereinigung protestantischer Fürsten sogar eine Bekenntnisschrift über die grundlegenden Aussagen des christlich reformatorischen Glaubens verfasst. Nur Philipp Melanchthon verhinderte, dass diese Schrift durch den Bund auch verabschiedet wurde. Du hast die Abschrift gesehen. Ach Katharina, so viele Wünsche, so viele Hoffnungen wurden mit den beiden Fürsten in Ketten gelegt.« Die Stimme der Äbtissin kam fast tonlos aus der Dämmerung.
Katharina wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr kamen diese Ereignisse eher vor wie das Donnern eines fernen Gewitters. Ihr war klar, dass wieder einmal Menschen starben, verstümmelt wurden, litten. Dass wieder einmal Mütter, Töchter und Schwestern abends auf ihren Strohmatten lagen und zu der leeren Stelle schauten, die früher ihr Mann, Sohn oder Bruder eingenommen hatte. Doch wie ein Gewitter erst beunruhigt, wenn es näher kommt, der Blitz erst Angst macht, wenn man ihn wirklich zucken sieht, ging es Katharina auch mit diesen Schlachten. Und die Ängste der Menschen in Konstanz waren weit weg. Die Gegenwart, die Welt, die sie täglich vor Augen hatte, ihr kleiner Sohn, ihr Mann, all die Arbeit, die auf sie wartete, machten es ihr unmöglich, das ganze Ausmaß der Katastrophe zu erfassen, die diese beiden verlorenen Schlachten für die Sache der Reformation auch in ihrer Heimat am Rhein bedeuteten. Doch das alles konnte sie Magdalena von Hausen nicht sagen. Also schwieg sie.
Ein Weile herrschte Stille zwischen den beiden Frauen. Inzwischen war es dunkel geworden. Nur das Licht der einen Kerze erhellte das Zimmer. Katharina hatte die Feder längst neben ihren unfertigen Brief gelegt. Sie konnte nur noch den Umriss der Äbtissin in ihrem Lehnstuhl sehen. Ihre Stimme klang gebrochen und mutlos, als sie schließlich weitersprach.
Doch mit jedem Satz, den die Frau im dunklen Zimmer sprach, wurde ihr Zorn fühlbarer.
»Über 20 Jahre lang haben die Verfechter des neuen Glaubens Stück für Stück an Boden gewonnen auf dem Weg zu einer gerechteren Welt. Damit ist es jetzt vorbei. Wieder werden den Menschen die Daumenschrauben angelegt. Kirche, Obrigkeit und Bürger, das waren in Konstanz nicht mehr verfeindete Lager, zwischen denen im besten Falle Misstrauen herrschte. Sie waren eins. So, wie es sein sollte.«
Katharina spürte fast körperlich, wie der Zorn der Äbtissin wuchs.
»Doch damit dürfen wir uns nicht abfinden. Es muss etwas geschehen. Sonst ist alles umsonst gewesen. Der ganze Kampf, das ganze Blut. Ich werde an Bullinger schreiben. Vielleicht weiß er mir einen Rat. Wir müssen den Menschen Mut machen, dürfen nicht zulassen, dass sie zurück in die alte Dunkelheit fallen, das Licht ihrer Seelen verlieren. Vielleicht kann Bullinger mir jemanden zu Hilfe schicken. Es kommen schwere Tage.«
Zum ersten Mal in all den Jahren, in denen sie sich kannten, fühlte Katharina Wut und Auflehnung im Wesen dieser Frau, eine stählerne Entschlossenheit und Stärke, die Magdalena von Hausen bisher niemandem gezeigt hatte. Die Äbtissin hatte nie direkt die Reformation gepredigt. Hielt alle Regeln und Verpflichtungen einer guten Tochter der Kirche treulich ein. Es war ihr Beispiel, das sprach. Kleine Gesten, die den Menschen deutlicher sagten als tausend Worte, wo sie innerlich stand. Einige machte das zurückhaltend, andere überglücklich, wieder andere ängstlich; aber alle liebten sie für ihre Güte. Da die Äbtissin ihre Überzeugungen niemandem aufdrängte, der sie nicht hören wollte, bestand auch kein Anlass für die Menschen von Seggingen, sich groß darüber aufzuregen, dass
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