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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Jungen, vor der ich schon in Basel dahingeschmolzen war.
    Doch inzwischen hatte ich eines gelernt. Dieser Blick besagte nicht das Mindeste. Er war nicht nur mir vorbehalten. Er galt allen Frauen.
    Ich richtete mich auf, drückte meinen Rücken durch und hob mein Kinn. Nein, dieser Mann, der nie wieder hatte von sich hören lassen, würde nicht zu sehen bekommen, wie sehr ich seinetwegen litt. Er würde auch nie erfahren, dass das Kind an meiner Seite seines war. Er hatte ein Stück von mir getötet. Jetzt stahl ich ihm ein Stück von sich.
    Der Gedanke an diese Rache machte mir das Nachdenken über diese Begegnung später etwas leichter, gab mir eine kleine, süße Befriedigung der Rache, die der letzte Anker der Hilflosen ist. Denn ich hatte keine Möglichkeit, ihn so leiden zu lassen wie er mich. Jeder, der Thomas und ihn nebeneinander sah, musste sofort erkennen, dass die beiden Vater und Sohn waren. Selbst Thomas Leimer mit seinem besonderen Blick, der sein Gegenüber umarmte und die Person doch nicht sah. Auch er musste es merken. Doch ich würde es leugnen bis an mein Lebensende. So könnte er sich nie sicher sein.
    Ich würde ihn nicht haben. Schon gar nicht als verheiratete Frau, die ich jetzt war. Trotzdem behielt ich ein Geheimnis, das mich mit ihm verband. Und ich würde auf diese Weise Konz Jehle nicht entehren. Nicht seinen Namen, nicht seinen Stolz. Der Sohn des Gehenkten war gut zu mir gewesen. Er sollte den Rücken nicht innerlich beugen müssen vor einem Mann, der es nicht wert war.
    Deshalb legte ich schillerndes grünes Eis in meine Augen und eine kleine, verächtliche Langeweile über meinen Mund, ehe ich scheinbar völlig ungerührt wieder nach vorne in den Chorraum sah. Ich würde ihn meiden, wo ich konnte, ihn behandeln wie einen Fremden. Denn niemals, niemals dürfte jemand aus dieser Stadt meinen Sohn und ihn zusammen sehen. Ich würde niemandem die Gelegenheit geben, über meine Familie herzuziehen. Das schwor ich mir an diesem grauen Gründonnerstag im Münster imAngesicht des sterbenden Jesus Christus am Kreuz. Ich habe diesen Schwur gebrochen.
    Es gab nur einen Ort, wo ich die Kraft finden konnte, die ich jetzt brauchte. Deshalb drängte ich zum Ausgang, schon bevor die kirchliche Feier zu Ende und das Brot für die Menschen draußen vollends gebrochen, der letzte Wein verteilt war. Mit meinem Sohn an der Hand lief ich durch die menschenleeren Straßen, an der Residenz der Äbtissin vorbei auf unser Haus zu. So schnell seine kleinen Beine konnten, eilte Thomas mit mir in Richtung der hölzernen Brücke und über die Bohlen. Am Trampelpfad angekommen, nahm ich ihn auf den Arm. Schließlich kamen wir zum Stein der Seconia. Auf seine milde, Ruhe spendende Wärme hoffte ich. Sie hatte mir schon einmal vor einem schweren Gang geholfen.
    Ich legte die Hand auf den Stein wie damals. Wie damals fühlte ich die Kraft, die in mich strömte. Mein Sohn stand, ganz gegen seine Gewohnheit, völlig ruhig neben mir.
    Als ich zurückkam, hörte ich schon das Geflüster in der ganzen Stadt. Thomas Leimer würde am Karfreitag predigen. Ich vermochte es zuerst nicht zu glauben, hörte die Worte zwar, doch sie rutschten mir einfach durch meinen Verstand. Jeder und Jede, die ich traf, erzählte die aufregende, die unglaubliche Neuigkeit. Thomas Leimer, der ehemalige Diakon, inzwischen ein Gefolgsmann der Ketzer um Martin Luther, würde predigen. Reformator Bullinger aus Zürich hatte ihn mit diesem Auftrag zur Äbtissin geschickt. Magdalena von Hausen hatte angenommen. Die Menschen waren hin und her gerissen zwischen ihrer Empörung und ihrer Neugier.
    Das hatte es in der Stadt noch nie gegeben. Kein Mönch aus Basel war zur Predigt gekommen, sondern ein abgefallener Mann der Kirche, ein Ketzer. Wo immer ich Menschen zusammenstehen sah, diskutierten sie erregt die Frage, wie Magdalena von Hausen dies dulden konnte. Das kam einer Entweihung des Münsters und des heiligen Fridolins gleich, der dieser heidnischen Stadt doch den Glauben gebracht hatte. Aber jeder, der wenigstens kriechen konnte, würde bei diesem Karfreitagsgottesdienst dabei sein. Keiner wollte die Predigt verpassen. So etwas hatte es noch nie gegeben und würde es vermutlich auch nie wieder geben. Alle waren entschlossen, Thomas Leimer sprechen zu hören. Nur ich nicht.
    Als ich auf dem Rückweg zum Münster wieder an der Residenz der Äbtissin vorbeikam, sah ich sie mit Thomas Leimer aus dem Tor treten. Und wieder war sein Erscheinen wie ein

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