Zeit des Lavendels (German Edition)
Gedanken nieder. Mein Innerstes erstarrte, meine Seele verschwand unter Eis. Ich zog die Schuhe aus und nahm sie in die Hand. Ich wollte die Stimme der Steine nicht hören. Ich wollte Rache.
Die ersten Frühaufsteher unter den Vögeln begannen bereits ihr Lied zu singen. Hinter den Türen regte sich zögernd das erste Leben. Eine Kuh, die verschlafen verlangte gemolken zu werden und Futter zu bekommen; das leise Gurren einer erwachenden Taube. Sonst war es still. Auch die oberen Räume des Schlosses lagen noch dunkel da. Aus den Stallungen und dem Küchentrakt kamen aber bereits die ersten Geräusche des erwachenden Tages. Mägde, die Wasser holten; der Koch, der die Scheite in die Kochstelle warf, um aus der von der Nacht übrig gebliebenen Glut wieder das Feuer zu entfachen, auf dem später der Frühstücksbrei für die Herrschaft brodeln sollte. Lautlos wie ein Geist legte ich dem Schönauer den Brief auf seine Schwelle.
9
D er Mann, der Magdalena von Hausen und Thomas Leimer vor Gott zusammengab, war Dekan Markus Ditzlin aus Waldshut. Katharina konnte es kaum glauben, als sie den Priester hinter dem eilends hergerichteten kleinen Altar stehen sah. Schließlich war Ditzlin doch dabei gewesen, als Magdalena von Hausen von Jakob Murgel zur Äbtissin gestühlt worden war. Er musste doch wissen, welchen Frevel vor Gott, der Jungfrau Maria und allen Heiligen es bedeutete, wenn er eine Äbtissin des Stiftes Seggingen einem Mann zum Weibe gab. Zwar musste keine der Stiftsfrauen ein Keuschheitsgelübde ablegen, wenn sie offiziell in die Reihen des Kapitels aufgenommen wurde. Einige hatten das Stift danach auch wieder verlassen und waren Ehefrauen geworden. Es gab keinen Eid, der sie daran hinderte. Doch bei einer Äbtissin war das anders. Von ihr wurde erwartet, dass sie ihr Leben völlig ihrem gottgeweihten Werk zu Ehren des heiligen Fridolin widmete, zur Wahrung der Macht des Kaisers, dem allein sie in weltlicher Hinsicht unterstellt war, und zum Wohle ihrer Untertanen und Hörigen. Ditzlin musste das wissen. Trotzdem hatte er zugestimmt, die beiden zu trauen. Katharina verstand das nicht. Sie hatte eigentlich nie den Eindruck gehabt, dass diesen Diakon aus Waldshut eine besondere Freundschaft mit Magdalena von Hausen verband. Doch sie war wohl die Allerletzte, die von sich behaupten konnte, die Menschen zu kennen.
Vor dem Fenster des kleinen Betzimmers wurde der heraufdämmernde Tag noch durch das Schimmern einiger Sterne zwischen den Wolken erhellt. Drinnen beleuchtete das flackernde Licht einiger Kerzen die Gesichter der fünf Menschen, die sich versammelt hatten. Das Gesicht der Fürstin wirkte ruhig, strahlend und wunderschön. Sie war sich ihres Weges völlig sicher. In Anbetracht der Heimlichkeit dieser Zeremonie hatte sie ein einfaches, dunkles Gewand gewählt. Trotzdem erinnerte es Katharina ein wenig an jenes, in dem sie gestühlt worden war.
Im Gegensatz zur inneren Ruhe seiner ihm versprochenen Braut, strahlte Thomas Leimer Nervosität aus, die er nur mühsam im Zaum halten konnte. Immer wieder sah er mit gehetztem Blick in Richtung des Fensters, als fürchte er den Aufgang der Morgensonne. Hand in Hand standen Thomas Leimer und Magdalena von Hausen vor Ditzlin, leise kamen die Worte der ewigen Eidesformel aus Magdalenas Mund: »Und ich schwöre, dir zu dienen und dich zu lieben und zu ehren, in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod uns scheide.«
Katharina war selbst über sich erstaunt, dass sie noch immer keinerlei innere Regung fühlte, als diese Worte ausgesprochen waren, als der Priester den Bund gesegnet hatte. Innerlich taub setzte sie das Zeichen ihres Namens unter das Pergament, das diesen Bund dokumentierte. Ohne jede Regung nahm sie Magdalena von Hausen in die Arme und wünschte ihr eine gesegnete Zukunft. Ohne Zittern gab sie Thomas Leimer die Hand und beglückwünschte ihn zur besten aller Frauen, die er nun sein Eigen nennen konnte. Ihre Stimme blieb auch fest, als sie danach Konz vorschlug, das junge Paar eine Zeit sich selbst zu überlassen. Später würde sie wieder zurückkommen und Magdalena von Hausen helfen, ihre Truhe zu packen.
Konz grinste und nickte, als Katharina das sagte. Die Äbtissin blickte die Vertraute dankbar und leicht errötend an. Thomas Leimer aber wurde sichtlich nervöser.
Leise schlossen Konz Jehle und seine Frau die Türe hinter sich. Markus Ditzlin war bereits in Richtung Küche unterwegs, in sich die Gewissheit, ein gottgefälliges Werk getan zu
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