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Zeit des Lavendels (German Edition)

Zeit des Lavendels (German Edition)

Titel: Zeit des Lavendels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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haben. Zumindest aber eines, das Jakob Murgel sehr gefallen würde. Denn nun hatte er die schon so lange erwartete Gelegenheit, diese Heuchlerin mit der ganzen, fürchterlichen Macht der Kirche zu bestrafen. Die Ironie des Geschehens würde Murgel sicher besondere Freude bereiten. Die Frau, die ihre Macht aus der Liebe zu Gott und den Menschen hergeleitet hatte, die Frau, die mit ihrer Güte und Standfestigkeit sogar den Papst überzeugt hatte, war an einer kleinen, menschlichen, unwichtigen Liebe gescheitert. Die eheliche Treue hatte diese Abtrünnige auch noch auf die Bibel eines Mannes geschworen, der allen Rechtgläubigen als Ketzer galt: auf die schändliche Übersetzung der Heiligen Schrift in die Sprache des unwissenden Volkes von Martin Luther. Ja, Markus Ditzlin war sehr zufrieden mit sich.
    Katharina und Konz traten schweigend auf den Platz vor der Residenz der Äbtissin. Der hohe Bogen, der das Haus mit dem Münster verband, wirkte drohend vor dem Himmel, der sich im Osten langsam immer mehr erhellte. Die Türme des Münsters ragten wie mahnend erhobene Finger über die Linie des Horizontes hinaus. Dort, unter dem hohen Bogen, hatten die Äbtissinnen seit Menschengedenken Gericht gehalten; und hinter den hohen Türmen wartete das Gericht Gottes.
    Bei diesem Gedanken zerbrach Katharinas innere Taubheit wie Glas, das auf Steinfliesen fällt. Das ganze Ausmaß dessen, was sie getan hatte, wurde ihr plötzlich klar. Sie hatte Magdalena von Hausen verraten, ihre Beschützerin, die immer nur Gutes für sie gewollt hatte! Jede Zeile, jedes Wort dieses unseligen Briefes brannte wie Feuer in ihrer Seele. Sie musste zum Schloss, ihn zurückholen. Sofort. Hoffentlich hatte ihn noch niemand gefunden. Um des Himmels und aller Heiligen willen, was hatte sie nur getan!
    »Ich muss jetzt eine Weile allein sein«, bat sie Konz und versuchte mit aller Kraft, ihre aufkeimende Panik in den Griff zu bekommen. Sie war wie im Fieber. »Ich bin noch etwas schwach und brauche ein wenig Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Magdalena von Hausen bald nicht mehr bei uns ist.«
    Konz nickte. Er bemerkte nicht, in welchem Zustand seine Frau war. »Du wirst sie bestimmt sehr vermissen. Arme, kleine Katharina. Aber du hast Recht, solche Geschehnisse muss man in Ruhe überdenken. Ich gehe derweil heim und schaue nach unserem Sohn. Hoffentlich ist er noch nicht aufgewacht. Schließlich musst du der hohen Frau auch noch helfen, ihr Bündel zu schnüren. Wenn du mich brauchst, du weißt, wo ich zu finden bin.«
    Die Güte ihres Mannes rührte Katharinas Herz zutiefst. Er hatte keine halbe Frau wie sie verdient. Und was war sie denn schon? Was war aus ihr geworden? Ein Mensch, noch schlimmer als Judas Ischariot, der einst den Herrn verriet. Wenn sie diesen Brief nur wiederbekam. Wenn Gott sie verschonte, das Unheil aufhielt — sie würde Konz Jehle von der Niedermühle ein gutes Eheweib werden. Bei allem, was ihr heilig war. Möge Gott ihr dabei helfen. Sie wandte sich um und wartete, bis ihr Mann nicht mehr zu sehen war. Dann machte sie sich auf den Weg zum Schloss.
    Doch der Brief, den sie auf die Schwelle gelegt hatte, war verschwunden. Sie sank auf die steinerne Stufe, ihr Herz hämmerte. Sie spürte nicht, wie die Feuchtigkeit des Morgentaus durch ihre Kleider drang. Aber dann riss sie sich zusammen. Der Schönauer durfte das Schreiben nicht bekommen. Sie musste es abfangen. Irgendwie. Alleim Schloss schienen noch zu schlafen. Vielleicht hatte ein. Diener das Schreiben gefunden und ins Haus geholt, vielleicht gab es ja noch eine Möglichkeit, es wieder in die Hände zu bekommen, vielleicht hatte er es noch nicht geöffnet ...
    Energisch klopfte Katharina an das noch fest verschlossene Tor. Es dauerte eine Weile, bis sich das verschlafene Gesicht des Beschließers in der kleinen Luke zeigte. Doch Katharina ließ kein Zögern zu. »Ich habe eine lebenswichtige Botschaft von unserer gnädigen Frau, der Fürstäbtissin, an ihren Meier Hans Jakob von Schönau zu überbringen, es eilt. Bringt mich sofort zu eurem Herrn.«
    Die Begeisterung im Gesicht, das durch die Luke blinzelte, hielt sich in Grenzen. »Da seid Ihr zu spät gekommen. Er ist bereits seit einer halben Stunde fort. Hat sich aufs Pferd geschwungen, als sei der Teufel hinter ihm her«, erwiderte der mürrische Mann.
    Katharina ließ sich nicht abweisen. Sie klammerte sich jetzt an jeden Strohhalm. Wenn sie wenigstens wüsste, ob der Schönauer den Brief schon gelesen

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