Zeit des Lavendels (German Edition)
Katharina, damit sie darauf schlafen konnte. Die Schönauerin hatte offensichtlich in ihren Truhen gekramt; denn zum ersten Mal in ihrem Leben würde Nele nun über ihrer Strohmatratze ein richtiges Bettuch aus Leinen haben, darauf ein weiches Kissen, gefüllt mit Daunen und eine ebensolche Zudecke.
Katharina lächelte. Sie hatte den Schönauer bisher nicht allzu gut gekannt, ihn für einen recht jovialen, verbindlichen Mann gehalten, dem sie aber eine gewisse Härte durchaus zutraute. Nun erlebte sie ihn als einen Menschen, der wusste, was gebraucht wurde, wenn Not am Mann war. Die alte Nele habe Magdalena von Hausen geholfen, ließ er ausrichten. Jetzt würden der Schönauer und Magdalena von Hausen auch der alten Nele helfen.
Die Hilfe Magdalenas folgte auf dem Fuße. Wieder klopfte es an der Türe. Diesmal kam der Stiftskoch mit zwei Gehilfen. Er hatte für Nele einen leichten Weizenbrei gekocht, ein Brot aus feinem, weißem Mehl gebacken und auch in Ö1 gesottene Fische eingepackt. Auf dem kleinen Tisch in Neles Hütte war kaum noch Platz für all die Köstlichkeiten. Dazu gesellten sich schließlich noch ein Säckchen Mehl, Salz, Pökelfleisch, mehrere Eier und viele gute Wünsche anderer Bürger aus Seggingen. Denn es hatte sich schnell herumgesprochen, dass die alte Heilerin krank war. Sosehr die Menschen über sie auch tuscheln mochten, einige halfen.
Nach einer Weile lag Nele mollig eingepackt in Daunen auf dem frischen Strohsack. Katharina machte ihr eigenes Lager für die Nachtwache zurecht. Dann warf sie alle Besucher aus der Hütte. Konz war zufrieden, an seiner Frau wieder eine Spur jener alten Energie und jener Lebendigkeit zu entdecken, die er so lange vermisst hatte. So trollte sich die ganze Gesellschaft und ließ die junge Heilerin mit der alten allein, die inzwischen laut schnarchte.
Es dauerte zwei Tage, bis Nele wieder mehr als einige Worte zusammenhängend sprechen konnte. Katharina hatte die ganze Zeit an ihrer Seite ausgeharrt, sie in regelmäßigen Abständen von oben bis unten gewaschen und kalte Wadenwickel gemacht. Wann immer die alte Frau aus ihrem Schlaf erwachte, stand sie schon bereit und versorgte sie mit all den Köstlichkeiten, die sich angesammelt hatten.
Nele genoss die Pflege und liebevolle Fürsorge ihrer jungen Freundin sichtlich. Das Fieber war bereits gesunken, und sie hatte schon wieder Normaltemperatur. Katharina kontrollierte das genau, wenn sie die alte Frau wusch. Sie hatte das Gefühl dafür in ihren Händen, hatte es gelernt, als sie bei der Heilerin in die Lehre gegangen war. »Du hast sehende Hände«, hatte Nele ihr einmal gesagt.
Diese Hände nutzte sie jetzt. Und das ganze Wissen, das Nele ihr beigebracht hatte. Nach vier Tagen hatte sich die alte Frau erholt. Manchmal konnte sie sogar mehr als eine Stunde wach sein. Eines Abends winkte sie Katharina an ihr Lager. »Mädchen, ich muss mit dir sprechen.«
»Du bist noch zu schwach, um so viel zu reden, ruh dich lieber aus«, wandte Katharina ein.
Nele schüttelte den Kopf. »Wenn ich jetzt mit dir streiten muss, kostet mich das noch viel mehr Kraft. Also komm und setz dich zu mir.«
Gehorsam stellte Katharina den Besen in die Ecke und setzte sich neben dem Lager der alten Frau auf die Erde.
»Lass mich reden und unterbrich mich nicht. Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen.«
Katharina nickte.
Nele hob eine Hand und streichelte der jungen Frau über das Haar. »Ich weiß, was du getan hast.«
Katharina sah sie erschrocken an.
Nele nickte. »Ich weiß, dass du es warst, die Magdalena von Hausen verraten hat. Und ich weiß, wie sehr du dich damit quälst. Ich weiß auch, wer der Vater deines Sohnes ist.«
Katharina zuckte zusammen, Abwehr in den Augen. »Ich habe es dir aber nicht gesagt.«
»Das war auch nicht nötig. Das merkt selbst ein Blinder. Ich kann mir also sehr gut vorstellen, was du gefühlt haben musst, als Thomas Leimer Magdalena von Hausen geheiratet hat. Schließlich war ich auch einmal jung und temperamentvoll. Ich hätte meinen Mann erwürgt, wenn er sich eine andere genommen hätte. Und du bist auch nur ein Mensch und keine Heilige, stimmt's?«
Katharina nickte.
»Du musst lernen, dir zu verzeihen. Was du angerichtet hast, ist schlimm. Doch es ist nicht mehr zu ändern. Und auch Magdalena von Hausen hat ihre Pflicht vergessen. Trotzdem musst du alles tun, um gutzumachen, was du angerichtet hast. Selbstzweifel können dir dabei nicht helfen, auch keine innere Marter, sondern nur
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