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Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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schlafen und dann weiterfahren. Vielleicht würden wir am Morgen in der Personalküche eine Tasse Tee trinken und ein Butterbrot essen.
    »Weck uns rechtzeitig«, bat ich und fügte hinzu, schlafende Gäste im Aufenthalts- und Speisezimmer des Pflegeheims könnten die Bewohner und das Tagespersonal stören.
    Jelena lachte so herzhaft, dass ihr goldener Backenzahn aufblitzte. Die alten Leute würden sich über Besucher freuen, und einige von ihnen würden mittags schon nicht mehr wissen, dass am Morgen Fremde im Haus gewesen waren, beruhigte sie mich. Und Oksana habe die Pflegerinnen vorgewarnt, alles zuverlässige Leute. Unsrige, betonte Jelena. Ich vergaß nicht, mich höflich zu erkundigen, ob sie Neuigkeiten von ihren Verwandten in Petrozawodsk hatte und wie es ihrer Mutter Nasti ging.
    Wronskij legte sich aufs Sofa und schien gleich einzuschlafen. Julija und Bekari wechselten leise einige Worte, Julija fauchte etwas, und Bekari antwortete mit tiefer, strenger Stimme. Dann legte er sich dicht an der Wand auf den Fußboden und begann tief und gleichmäßig zu atmen. Ich dachte an meinen Vater. Ich nehme mein Ohr als Kissen und den Gürtel als Decke, hatte er gesagt, wenn er zu Hause auf der Holzbank ein Nickerchen gemacht hatte.
    Julija wickelte sich auf dem zweiten Sofa in eine Decke. Ich stellte mir vor, wie sie eingerollt unter der Decke lag, niedlich wie ein Katzenjunges, und wieder drückte es mir das Herz zusammen.
    Ich legte mir zwei Kissen ins Kreuz und beschloss, mich ein paar Stunden auszuruhen.
    Im Moment konnte ich nichts tun. Unruhe und Nervosität, Grübeleien über die Zukunft halfen nichts.
    Zudem wollte ich am nächsten Tag schlagkräftig sein, hellwach.
    Und dafür genügte auch ein kurzer Tiefschlaf.
    Oder ununterbrochenes Wachen. Das schärfte die Sinne, wusste ich dank meiner Ausbildung und aus Erfahrung.
    Jedenfalls werde ich morgen in Bestform sein, beschloss ich. Es ging nicht anders.
    Im Lauf der Nacht verwirrten sich meine Gedanken. Ich glitt in gnädige Unwissenheit, schrak inmitten des sanften Falls auf und rutschte dann weiter in den surrenden, leeren Schlaf.
    »Was zum Teufel soll das?«, wetterte Marja.
    Sie lehnte sich an die Spüle in der Personalküche, legte den Kopf schräg und versuchte, spöttisch und übertrieben verwundert auszusehen.
    »Ich bin ja allerhand von dir gewöhnt, aber das geht zu weit. Du missbrauchst mein Pflegeheim als Absteige für eine Horde von irgendwelchen … irgendwelchen … seltsamen Typen!«
    Wronskij hobelte sich eine Scheibe ab und beobachtete dabei verstohlen Marjas Getue. Bekari aß in aller Ruhe das zweite Brötchen, und Julija knabberte an einem winzigen Stück Brot, sah verwundert und schläfrig schön aus.
    »Wir verschwinden gleich. Mach nicht so einen Aufstand«, sagte ich kühl.
    »Ach nee, soll ich etwa vor Freude aus dem Häuschen sein? Wie fein, dass du Besucher mitbringst! Was macht es schon, dass wir frühen Morgen haben und das hier ein Pflegeheim ist und Pflegeheime kontrolliert werden und sich an die Vorschriften halten müssen. Scheiße, Viktor, du bist ein hoffnungsloser Fall«, ereiferte sich Marja.
    Ich goss mir aus der Thermoskanne Kaffee nach und bot auch den anderen davon an. Oksana, die mit Marja gekommen war, hielt mir ihren Becher hin.
    »Oksana Pelkonen!« Bei Marja fiel der Groschen. »Steckst du etwa auch mit drin? Aber natürlich!«
    Oksana versuchte, unwissend und überrascht dreinzublicken, wirkte dadurch aber erst recht schuldbewusst.
    »Viktor hat um Hilfe gebeten. Natürlich helfe ich, ich helfe. Frau Marja hat davon keinen Schaden. Immer repariert Viktor, transportiert, holt Waren. Was macht schon aus, ein paar alte Brotchen und ein bisschen Tee. Kein schmutziges Laken, nichts extra«, spielte Oksana die Sache herunter. »Ich höre mir das Gebrüllen nicht mehr an. Viktor stellt mich wieder ein. Ist der Weg auch kurzer. Zweimal die Woche hier nach Espoo, ans Ende vom Arsch. Oder wie heißt das? Wo die Welt dem Fuchs Gute Nacht sagt?«
    »Am Ende der Welt oder am Arsch der Welt, beides geht«, warf ich ein. Marja sah mich an wie einen Vater, der zu spät zur Geburtstagsfeier seines Kindes erscheint.
    »Egal ob Ende oder Arsch. Zwei Büsse, Zug, Zeit vergeht und ich kann nicht lesen oder stricken, immer sitzt daneben wer, der stinkt. Oder ich muss betteln, nimm mich im Auto mit, Frau Marja.« Nun ging Oksana von der Verteidigung zum Angriff über.
    »Ich biete dir doch jedes Mal an, mitzufahren, und freue mich

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