Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
Pferde, und von den Skaterampen hinter dem Bach, der die offene Fläche durchschnitt, hallten hohle Rollgeräusche herüber.
Ich spähte über das jeweilige Objekt hinweg und an ihm vorbei, versuchte, den empfindlichen Zellen der Augen dieChance zu geben, eine unerwartete Bewegung einzufangen. Das winzige Schwanken eines Menschen, der die Position wechselt. Den Rauchkringel von jemandem, der in seinem Versteck pafft. Das überraschende Auffliegen von Vögeln aus einem Gebüsch.
Nichts. Auch keine Männergruppen, die in aller Öffentlichkeit und ohne Eile ihre Dehnübungen machten. Der Parkplatz hatte sich geleert, und kein Hubschrauber knatterte über dem Gelände.
Die drei erreichten den Pfad, der an dem birkenbewachsenen Abhang entlangführte, ein wenig weiter südlich als geplant. Zuerst gingen sie im Gänsemarsch, aber auf der freien Fläche fanden sie nebeneinander Platz.
Wir hatten in Oksanas und Eskos Kleiderschränken nach passender Sportkleidung gesucht, damit Wronskij nicht im Anzug und Julija in Rock und Pumps ihre Kondition trainieren mussten. Bekaris Jeans und Anorak taugten für einen Abendspaziergang im Wald. Julija hatte im Spiegel überprüft, ob der Windanzug gut saß und die Joggingschuhe farblich passten, hatte dann schweigend zugehört, als ich sie anfuhr, für das Freiluftpublikum in Hakunila sei ihr Outfit gut genug.
Wronskij ging in der Mitte, mit wuseligen, kurzen Schritten. Bekari musste immer wieder innehalten und langsamer gehen, damit die beiden anderen nachkamen. Und Julija schritt an der anderen Seite dahin, den Kopf ein wenig gesenkt, als überprüfe sie den Boden vor sich. Ich hatte sie noch nie aus so großer Entfernung betrachtet, die Brust wurde mir eng, als ich dachte, sie ist auch von Weitem schön.
Sie war schön, präzisierte ich, um mich zur Konzentration zu zwingen. Ich musste handlungsfähig bleiben, Gefahren erkennen und richtig reagieren.
Ich sprang vom Zaun. Wronskij reichte mir das Navigationsgerät, bedankte sich nicht für die Leihgabe.
Ich hatte ihnen die Strecke auf der Karte im Telefonbuch gezeigt und im Garten hinter Oksanas und Eskos Haus auf die Stelle gedeutet, wo sie anfing. »Von da über den Weg an den Schrebergärten vorbei, dann den Hügel hinauf in den Wald und zum Joggingpfad, ihr schlagt einen großen Bogen und kommt schließlich hinter dem Reitstall auf den Pfad zurück. Die Pferde erkennt ihr schon am Geruch«, hatte ich erklärt.
»Ich bin nicht zum ersten Mal im Gelände unterwegs«, hatte Wronskij bemerkt, dann aber doch das Navigationsgerät angenommen, das ich ihm aufgedrängt hatte, als Ersatz für Kompass und Landkarte.
Wir gingen zu meinem Wagen. Ich hätte Konversation treiben können, mich erkundigen, ob die drei im Wald verdächtige Gestalten gesehen hatten und ob Matti und Ruuskanen wie vereinbart zum Kaffee gekommen waren. Doch ich blieb stumm.
Wir setzten uns in den Citroën. Ich drehte den Schlüssel um, das Vorglühsignal erlosch, und ich startete. Der Startmotor rotierte energisch, aber ansonsten tat sich nichts. Ich schaltete den Strom aus und wieder ein. Auf dem Armaturenbrett erschienen schreiend rote Alarmzeichen und Anweisungen. Ich verstand sie nicht und verfluchte in Gedanken die französischen Ingenieure und meine rudimentären Englischkenntnisse.
»Was ist los?«, fragte Wronskij erschrocken.
Ich stieg aus, verriegelte mit der Fernbedienung die Türen und öffnete sie nach einer Weile wieder.
»Computertricks«, sagte ich und machte einen neuen Versuch. Ein paar Sekunden Vorglühen, dann starten. Der Motor begann gleichmäßig zu tuckern.
Wronskij atmete erleichtert auf. Im Rückspiegel sah ich, dass Bekari ausdruckslos nach draußen starrte. Julijas dunkle Augen streiften mich, doch dann senkte sie den Kopf, sodass ich sie nicht mehr sehen konnte.
»Auf geht’s«, sagte ich unnötigerweise.
Im Radio verlas ein Mann mit tiefer Stimme eine Nachricht über die Ankunft von Präsident Medwedjew.
»Soll ich Tee kochen?«, erkundigte sich Jelena Kolomainen, die Nachtschwester im Pflegeheim Abendstern, als frage sie einen sterbenden Patienten nach seinem letzten Wunsch. Sie war eine Kinderärztin aus Petrozawodsk, die Oksana an Marja vermittelt hatte. Nun pflegte Jelena alte Leute, nahm aber nebenbei Sprachunterricht und besuchte die Ergänzungskurse der medizinischen Fakultät, um auch in Finnland als Ärztin zugelassen zu werden.
Ich lehnte das Angebot dankend ab und sagte, wir wollten nur ein paar Stunden
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