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Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Tasche. Die Dinger waren schwer.
    Ich gab Befehl zum Aufbruch.
    Vor dem Haus kam uns Erkki entgegen. Die Träger seines Rucksacks waren ihm von den schmalen Schultern auf die Oberarme gerutscht. Unsere Haushaltshilfe Nina, eine Verwandte von Oksana Pelkonen, schob Anna in der Sportkarre hinter ihm her. Anna jubelte, als sie mich sah, ließ sich von Nina aus dem Wagen heben, kam hüpfend und stapsend zu mir und warf sich an mein Bein.
    Ich hob sie hoch, und wir rieben die Nasenspitzen aneinander. Kichernd verneinte sie meine Frage, ob es schon Zeit für den Mittagsschlaf sei. Ich zählte singend auf, zuerst das Gesicht waschen, dann spielen, bald gibt’s Essen und dann wird tuut-tuut geschlafen. Das Lied von der kleinen Lokomotive sang ich täglich, verdrehte jedes Mal die Worte, und Anna legte mir die Hand auf den Mund und kreischte: »Falsch, falsch.« Schließlich legte ich den Mund auf ihren Bauch und pustete wie in eine Trompete. Die Haut und die Wärme und der Kleinmädchengeruch waren durch das Hemd hindurch zu spüren. Ich setzte Anna ab, und Nina brachte sie ins Haus.
    Erkki war an der Vortreppe stehen geblieben.
    »Gehst du jetzt erst zur Schule?«
    »Ja. Fängt heute erst um elf an. Wir waren einkaufen. Ich dachte eigentlich, ich bleibe dann gleich in der Schule, aber es war noch zu früh. Noch keiner von meinen Freunden auf dem Hof«, erklärte Erkki.
    »Es gibt also keine größeren Probleme?«
    »Nein.« Es klang echt.
    »Nur so generell blöd? Und zu viele Hausaufgaben?«
    »Nein. Und das Essen ist ganz okay, und in letzter Zeit hat mich keiner gemobbt und der Computer funktioniert und ich hab auch Geld, falls Mutter mir erlaubt, zum Kiosk zu gehen«, nahm Erkki meine Fragen vorweg und grinste.
    »Alles klar. Hast du heute Training?«
    »Nee, aber ein Spiel.«
    »Dann schießt du mindestens drei Tore.«
    »Der Trainer stellt mich als Verteidiger auf.«
    Ich hielt die Litanei zurück, die sich wie von selbst abspulen wollte: Man müsse auf den Trainer hören und ihn respektieren und in der Position spielen, die einem zugewiesen wird. »Serjoscha«, sagte ich liebevoll. Bei dem russischen Namen horchte Bekari auf, und ich wechselte rasch zum Finnischen über. »Dann kämpfst du dich nach vorn und schießt zwei.«
    »Ja. Aber wer ist der Mann da?«, fragte Erkki.
    »Ein Geschäftspartner. Oder Kunde. Na, irgendein Mann eben.«
    »Aha.«
    Erkki trat gegen ein Grasbüschel. Ich wollte es ihm schon verbieten, schwieg aber und wartete.
    »Mutter bringt mich sicher zum Spiel. Sie hat gesagt, sie kommt zugucken, wenn sie es schafft«, sagte Erkki.
    Ich hörte den versteckten Vorwurf heraus.
    »Ich bin jetzt ein paar Tage beschäftigt. Aber dann kommeich auch zu deinen Spielen. Und zum Training. Als Hilfstrainer. Dann sage ich zu eurem Coach, jetzt trainieren wir mal das Physische, Kraft und Schnelligkeit. Und kommen Sie mir nicht damit, die Jungs wären zu klein«, sagte ich. Ich fand einen Vorwand, auch Erkki ein paar Mal mit durchgestreckten Armen hochzustemmen, ihn scheinbar fallen zu lassen und beim Auffangen an mich zu drücken.
    Erkki kämpfte sich frei, sagte lachend, er müsse jetzt los.
    Erst im Auto fiel mir auf, dass er Marja Mutter genannt hatte, zweimal.
    Ich fuhr den Golf wieder tief in die Halle hinein. An der Tür standen zwei Reisetaschen, die der Autohändler Ruuskanen gebracht hatte. Als ich die eine öffnete, sah ich Frauenkleidung und einen Schminkbeutel. Ich dachte an Julija im spitzenbesetzten Slip. Abrupt schloss ich die Tasche und befahl Bekari, zu warten.
    Julija saß in meinem Büro auf dem Sofa, die Beine züchtig geschlossen und schräg gestellt.
    »Hier sind deine Sachen. Du hast fünf Minuten Zeit, dir was Ordentliches anzuziehen, das Gesicht zu bemalen und runterzukommen. Dann geht ihr. Du und Bekari«, präzisierte ich.
    Ich lief die Treppe wieder hinunter. An der Wand hing eine Lochplatte mit Werkzeug und leeren Haken. Von einem der Haken schnappte ich mir einen Autoschlüssel. Als Schlüsselanhänger diente ein gut zehn Zentimeter langes Stück Sperrholz mit der Aufschrift Hiace.
    Der alte Toyota-Kleintransporter stand hinter der Halle. Er hockte auf seinen schlappen Reifen, als würde er gleich im Asphalt versinken. Ich musste den Dieselmotor lange vorglühen lassen, doch dann sprang er brav an. Anfangs produzierteer blauschwarze, dicke Abgaswolken, aber nach einer Weile erholte er sich und lief sauberer.
    Ich legte den Gang ein. Die Kupplung ruckelte und das Lenkrad war

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