Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim
über deine Gesellschaft«, lenkte Marja ein. Sie merkte, dass Oksana weit über die Frontlinie vorgeprescht war. »Ich entlasse dich doch nicht. Aber du hast falsch gehandelt.«
»Herrin ist Herrin und Arbeiterin ist Arbeiterin. Aber ich habe auch mein Recht. Wenn ich wegwill, ich gehe weg.« Oksana hielt an ihrem gekränkten Stolz fest.
Ich stand auf.
»Lasst die Arbeitsmarktverhandlungen ruhen. Niemand kündigt oder wechselt den Arbeitsplatz. Marja, kommst du mal raus, ich muss mit dir reden.«
Es nieselte. Ich wartete unter dem Schutzdach vor der Tür. Marja kam bald nach, zog die Strickjacke enger um sich.
»Ich leihe mir deinen Golf. Der Citroën steht da vorn, ungefähr zweihundert Meter weiter. Hier ist der Schlüssel. Ich bringe deinen Wagen zurück, so schnell es geht«, erklärte ich.
»Der Citroën ist so schwer zu fahren. Zu groß«, wandte Marja ein.
»Der passt schon auf die Straße. Hör zu, ich mach das nicht aus Jux und Dollerei. Ich tue es nicht mal meinetwegen.«
Marja sah mich ernst an und spöttelte nicht.
»Wohin fährst du? Was ist eigentlich los?«
»Ich bringe die Leute in Sicherheit. Irgendwann erkläre ich dir alles, Ehrenwort.«
Marja forderte keine nähere Erklärung und fragte auch nicht, vor wem ich die drei schützte. Es wäre mir schwergefallen, diese Frage zu beantworten.
»Du erzählst nicht viel«, sagte Marja.
»Na, du doch genauso wenig. Du hast doch auch allerhand am Laufen.«
»Am Laufen? Was denn?«
»Mit diesem Ari. Zum Beispiel.«
Ich wusste, dass ich besser gesagt hätte, reden wir später darüber. Ich hätte mich darauf konzentrieren müssen, Wronskij in Sicherheit zu bringen, hätte meine ganze Energie und Aufmerksamkeit auf diese Aufgabe richten müssen.
So hatte man es mir beigebracht, aber ich schaffte es nicht. Und jetzt war die Katze aus dem Sack.
Marja holte eine Schachtel aus der Tasche ihrer Strickjacke und zündete sich eine Zigarette an. Mit einem Feuerzeug, registrierte ich.
»Du hast angefangen zu rauchen.«
»Ja. Das ist sicher meine größte Sünde«, schnaubte Marja.
»Nach größeren wage ich nicht zu fragen.«
Der Rauch versank in der feuchten Luft. Der Regen war tropfenlos dünn, zugleich aber dicht, als fiele Nebel vom Himmel.
»Wir haben nichts getan«, sagte Marja leise.
Noch nicht, hätte ich beinahe hinzugefügt, doch ich schwieg.
»Ich weiß nicht, was passiert, wenn es so weitergeht«, fuhr sie sachlich fort.
Sie schluchzte nicht, bebte nicht, aber sie weinte. Das war nicht ihre Art. Ganz und gar nicht.
»Weil du dir gar nichts aus mir machst«, sagte Marja, immer noch mit fester Stimme, doch sie musste sich die Nase putzen.
»Scheißdreck, ich hab dich doch lieb.«
Ich nahm Marja die Zigarette aus der Hand, warf sie unter die tropfende Dachrinne und versprach, sie gleich aufzuheben und ordnungsgemäß in den Mülleimer zu werfen. Dann umarmte ich Marja, fest und lange, küsste sie auf die Stirn und die nassen Wangen, sagte, du schmeckst nach Marlboro, küsste sie aber auch auf den Mund.
»Ich muss gehen«, sagte ich schließlich.
Marja nickte, trötete noch einmal ins Taschentuch.
»Wer ist die Frau?«, fragte sie.
Ich wartete eine Weile, als müsste ich überlegen, wen sie meinte.
»Ach, Julija. Die Assistentin von Wronskij.«
Und die Geliebte des anderen Mannes, Bekaris, hätte ich hinzufügen und Marja damit von dem aufkeimenden Misstrauen befreien können. Aber ich brachte die Worte nicht über die Lippen.
Marja sah mich an. Ich war sicher, dass sie wusste oder ahnte, was in meinem Kopf vor sich ging, dass sie es an meiner zu unschuldigen Stimme hörte, irgendeinen Geruch aufgeschnappt hatte oder eine winzige Bewegung meiner Finger zu der Anderen hin, einen Blick, der eine Hundertstelsekunde zu lange verweilte und von dem ich hoffte, dass ihn niemand bemerkte.
Ich küsste Marja noch einmal auf die Stirn und ging.
33
Ich fuhr einen Bogen über die Umgehungsstraße. Auf dem letzten Teil der Strecke hielt ich einige Minuten vor dem Baugroßmarkt in Suutarila, doch alle, die uns folgten, entpuppten sich als normale Mörtelkäufer. Ich fuhr kreuz und quer durch das Industriegebiet, und auf der letzten Straße ließ ich den Wagen an meiner Straße vorbeirollen und vergewisserte mich, dass in der Umgebung keine Aufpasser zu sehen waren. Am Tor der Farbfabrik wendete ich, befahl meinen Passagieren, sich zu ducken, und fuhr ruhig und langsam auf mein eigenes Grundstück.
Vor dem großen Tor zur Werkstatt hielt
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