Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim

Titel: Zeit des Verrats: Finnland-Krimi: Finnland-Krim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
Vom Netzwerk:
Trainingsanzüge transportierten.
    Zwei Kinder balancierten auf dem Rand der Plattform. Ich schätzte, dass sie Geschwister waren. Das kleinere Kind, ein ernst und entschlossen dreinblickendes Mädchen, versuchte, seinen großen Bruder aus dem Gleichgewicht zu bringen, und merkte nicht, dass der Junge sich hinter dem Rücken mit einer Hand am Pfosten festhielt.
    » Lastoschka «, sagte ich zu dem Mädchen und zeigte auf die hin und her schießenden Vögel. »So heißt die Schwalbe auf Russisch.« Die Leute von der Reisegesellschaft drehten die Köpfe und starrten mich an, als wäre ich ein böser Onkel. Was fällt dem ein, mit fremden Kindern zu reden? Ich ging zu meinem Wagen und dachte, dass die Ausreise aus Finnland jedes Mal auch angenehm war.
    Eine Heimkehr.

4
    Die beiden Enden der Fliege des Kellners im Hotel Sewernaja hingen ebenso müde herab wie sein Schnurrbart. Der Mann wartete demütig, bis alle am Tisch ihr Besteck schräg auf den Teller gelegt hatten, zum Zeichen, dass sie mit der Vorspeise fertig waren. Dann begann er, die Teller auf seinem Arm zu stapeln, und gab seinen Kollegen mit einem Kopfnicken das Signal, die Hauptspeise aufzutragen.
    »Die Aussichten sind vielversprechend, schlicht und einfach vielversprechend«, dröhnte Anatoli Koljukow, ohne einen Blick für den sorgfältig gedeckten Tisch. Er schob die Blumenvase beiseite, wobei sie die Butter streifte, die in kunstvollen Spiralen auf einem kleinen Teller angeordnet war. Dann öffnete er seine Aktentasche und holte eine Broschüre von der Größe einer Straßenkarte heraus, die auf Hochglanzpapier Phantombilder des Hotel- und Einkaufszentrums zeigte, das an der Andropow-Straße entstehen sollte.
    Anatoli Michailowitsch Koljukow war einer meiner Geschäftsfreunde. In seinem Auftrag hatte ich in der Nähe von Käkisalmi zwei Ferienhäuser hochgezogen, so groß wie kleine Paläste, aber solider gebaut, und ich hatte Zubehör für die Fabrik in Wiborg besorgt, wo Koljukow Schutzbezüge für Autositze und Lenkradschoner aus Leder nähen ließ.
    Mir war nicht klar, warum er mich zu seiner Geschäftsverhandlung eingeladen hatte. Mit seinen zigtausend Quadratmetern war der Auftrag viel zu groß für mich, und eine Verteilung auf Subunternehmer konnte in dieser Phase noch nicht vorgenommen werden. Auf der anderen Seite des Tisches saßen drei Männer, die sich auf dem Weg in die mittleren Jahre befanden, im korrekten Anzug, alle gleichermaßen ausdruckslos. Sie hörten schweigend zu, während Koljukow sein Projekt anpries. Bei der Begrüßung hatte ich ihre Namen nicht mitbekommen. Sie hatten leise gesprochen und jeden Blickkontakt vermieden. Ihre kurz geschnittenen Haare waren dunkel, ihre Haut hatte einen hellen Ton. Auf der Karte der ehemaligen Sowjetunion wusste ich sie nicht einzuordnen. Irgendwo aus dem Süden, schätzte ich.
    »Ich erwarte, ich verspreche … nein, ich garantiere dreißig Prozent Rendite nach drei Geschäftsjahren«, kam Koljukow zum Höhepunkt seines Angebots. Die potenziellen Geldgeber saßen weiterhin schweigend da wie bei der Beerdigung des stummen Seduchow. Mit diesen Männern hätte ich auf dem Markt nicht um den Preis einer Arbuse gefeilscht, aber umso genauer aufgepasst, dass sie beim Abwiegen die Waagschale nicht mit dem Finger nach unten drückten.
    Als Hauptgericht gab es lauwarmes, fades Rindersteak, dazu Bier, das dieselbe Temperatur hatte wie das Fleisch. Das Restaurant war fast leer. An einem langen Tisch an der Wand bestellte eine zehnköpfige Gruppe finnischer Männer Schnaps. Ich vermutete, dass es sich um Kriegstouristen handelte, die im Bus zu den alten Schlachtfeldern fuhren, in den Schützengräben herumkrochen und an den Gedenkstätten eine Schweigeminute einlegten.
    Auf der Bühne standen Verstärker bereit, doch die überlaute Musik kam von der Platte. Eine Videoanlage warf Alla Pugatschowa in Riesengröße auf drei Leinwände. Als das Lied endete, wurde die Pugatschowa durch Fotos von südlichen Sandstränden ersetzt, und eine junge Frau erklomm die Bühne. Sie griff zum Saxophon und spielte zu Hintergrundmusik vom Band. Niemand im Restaurant hörte ihr zu, und sie schien es zu wissen. Sie spielte für sich selbst, durchaus gekonnt, aber so, als wiederhole sie eine Hausaufgabe.
    »Viktor und ich gehen uns mal rasch die Nase pudern«, tönte Koljukow. Ich folgte ihm zur Toilette. Koljukow war ein großer Mann, in jede Richtung. Sein schwerer Brustkorb und der minenförmige Bauch stellten seine

Weitere Kostenlose Bücher